Der Zauber von Savannah Winds
warnte er, »sonst wirst du die nächste Woche husten müssen, bis du platzt.«
Als John ihr schließlich heraushalf, wurde Fleur von Martha beinahe umgeworfen, die sie stürmisch umarmte.
»Schön, dich zu sehen«, sagte sie und ließ sie wieder los. »Ich kann kaum glauben, dass du es endlich hierher geschafft hast.« Marthas braune Augen funkelten in ihrem gebräunten Gesicht, als sie sich an John wandte. »Sie ist genau wie ihre Mutter, nicht wahr?«
»Die Unterhaltung hatten wir bereits«, erklärte er trocken. »Komm, wir bringen Fleur nach Hause, bevor wir hier alle verschmoren.«
Martha plapperte munter drauflos, während sie den Weg zur Farm entlangpreschte. Sie schien ebenso stolz auf Emerald Downs zu sein wie John und wies auf eine Windmühle, ein Wasserloch, neue Zäune und vieles andere, an dem sie unterwegs zufällig vorbeikamen.
Fleur nickte lächelnd und versuchte sich vorzustellen, wie es ausgesehen haben mochte, als ihre Mutter hier aufwuchs.
Als habe John ihre Gedanken gelesen, sagte er: »Als Selina und ich klein waren, sah es hier noch ganz anders aus. Die Landschaft hat sich nicht verändert, aber das Haus wurde in den Siebzigern von einem Wirbelsturm zerstört; daher mussten wir ein neues bauen. Wir haben inzwischen Strom, Telefon, Satellitenfernsehen, Computer wie die meisten modernen Sachen, ohne die wir anscheinend nicht mehr auskommen.«
»Auf Savannah Winds haben wir keinen Satellitenempfang.«
»Weil die Farm zu weit von der Telegrafenstation entfernt ist. Aber der wird bald möglich. Die Regierung hat’s versprochen.«
Das Haus war ein reizvolles Gebäude mit den obligatorischen Fliegengittern, welche die ringsum laufende Veranda schützten. Es stand mit der Fassade nach Süden auf einer kleinen Anhöhe jenseits einer großen Lichtung. Auf der Ostseite wuchsen Bäume, die in der langen heißen Jahreszeit Schatten spendeten; auf der Westseite befand sich ein Pferch, in dessen Mitte sich einige gepflegte Pferde unter einer Baumgruppe aufhielten.
»Das sind meine«, erklärte Martha stolz. »Ich habe als Mädchen immer an Rodeos teilgenommen und später eine Zeitlang an Turnieren im Springreiten.«
»Sie ist zu bescheiden«, nuschelte John, als sie anhielten. »Martha hat Australien bei den Olympischen Spielen vertreten und eine Bronzemedaille gewonnen. Sie trainiert noch immer jüngere Reiterinnen.«
Fleur lachte entzückt. »Ein Star! Ich bin bei einer Berühmtheit.«
»Also, John, fang jetzt nicht davon an!« Martha errötete allerliebst. »Bring lieber Fleurs Tasche rein. Ich zeige ihr, wo sie schlafen wird, bevor ich mich ans Mittagessen mache.«
Fleur wurde in einen großen quadratischen Raum geführt, der den Blick auf einen Rasen, ein Schwimmbecken und einen üppigen Blumen- und Gemüsegarten freigab. Das Bett war in Hellgelb und mattem Grün bezogen und beherrschte das Zimmer. An der Wand hingen herrliche Fotos vom Outback: Wasserfälle; Canyons; Nebel am frühen Morgen, eingefangen über einer einsamen grünen Waldwiese; ein Staffelschwanz, just in dem Moment aufgenommen, als der Vogel mit den Knopfaugen in die Linse lugte. Wer die Bilder auch gemacht haben mochte, er besaß ein außergewöhnliches Talent als Fotograf.
Fleur fand Martha in der Küche und half ihr mit dem Krautsalat. »Wer hat denn die Bilder in meinem Zimmer aufgenommen?«
»John. Jetzt, da er mehr Zeit zum Entspannen hat, ist er stundenlang da draußen. Die sind gut, nicht wahr?«
»Mehr als das. Ich kenne ein paar Innenarchitekten, die ein Vermögen dafür bezahlen würden, sie in ihrem Portfolio zu haben.«
»Ist nur ein Hobby, Fleur«, murmelte Martha. »John mag es nicht, wenn die Leute so einen Wirbel darum veranstalten. Dann macht er sofort dicht, und ich kriege tagelang kein Wort aus ihm raus.« Sie wusch sich die Hände, trocknete sie ab und stellte den Salat in den Kühlschrank. »Komm«, sagte sie leise, »ich weiß, wohin du zuerst gehen möchtest.«
Fleur setzte ihren Hut wieder auf, und sie traten aus der Hintertür hinaus in den kühlen Schatten der Bäume. Als Fleur wieder ins Sonnenlicht eintauchte, erblickte sie einen weißen Lattenzaun, Holzkreuze und verwitterte Grabsteine.
»Ich lasse dich allein mit ihr reden«, flüsterte Martha. »Du findest doch den Weg zurück?«
Fleur nickte, den Blick fest auf die Grabstellen gerichtet. Sie merkte kaum, dass Martha sich entfernte, während sie auf den Zaun zuging und das Tor öffnete. Das Gras war mit Wildblumen durchsetzt. Ein
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