Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
zusammentraf: die Herren Ferge und {1017} Wehsal also, der Staatsanwalt, die Damen Levi und Kleefeld, zu schweigen von denen, die ihm die Erscheinung von Holgers Haupt gemeldet hatten, und von der Mittlerin, Elly Brand.
    Das nordische Kind befand sich bereits in des Doktors Obhut, als Hans Castorp die mit der Visitenkarte geschmückte Tür durchschritt. An Krokowskis Seite, der, bekleidet mit seinem schwarzen Arbeitskittel, in väterlichem Sinne den Arm um ihre Schulter geschlungen hielt, erwartete sie am Fuße der Stufen, die noch von der Ebene des Souterrains in die Wohnung des Assistenten hinabführten, die Gäste und begrüßte sie mit ihm. Allerseits war diese Begrüßung von aufgeräumt-unbedenklicher Herzlichkeit getragen. Es schien Absicht, die Stimmung von jeder feierlichen Beengung frei zu halten. Laut und scherzhaft sprach man durcheinander, tauschte aufmunternde Rippenstöße und bekundete auf alle Weise seine Unbefangenheit. In Dr. Krokowskis Barte zeigten sich beständig mit jenem kernigen und zum Vertrauen auffordernden Ausdruck seine gelben Zähne, während er sein »Ich gdieße Sie!« wiederholte, und besonders taten sie das, als er Hans Castorp willkommen hieß, der schweigsam war, und dessen Miene schwankte. »Mut, mein Freund!« schien die auf- und rückwärts schüttelnde Kopfbewegung des Wirtes zu sagen, während er dem jungen Mann fast derb die Hand drückte. »Wer wird die Ohren hängen lassen? Hier gibt es nicht Duckmäusertum noch Frömmelei, sondern einzig die männliche Heiterkeit vorurteilsloser Forschung!« Dem pantomimisch so Angeredeten wurde nicht wohler davon. Wir ließen ihn sich bei seinen Vorsätzen des Durchleuchtungslaboratoriums erinnern, doch diese Ideenverbindung reicht keineswegs hin, um den Zustand seines Gemüts zu kennzeichnen. Vielmehr gemahnte dieser ihn selbst sehr lebhaft an die eigentümlich und unvergeßlich aus Übermut und Nervosität, Wißbegier, Verachtung und Andacht gemischte Verfassung, worin er sich vor Jahren befunden, als er sich, etwas {1018} bekneipt, mit Kameraden zum erstenmal angeschickt hatte, ein Mädchenhaus in Sankt Pauli zu besuchen.
    Da man übrigens vollzählig war, so zog Dr. Krokowski sich mit zwei Assistentinnen, zu welchen diesmal Frau Magnus und die elfenbeinfarbene Levi ernannt worden, zur Leibeskontrolle des Mediums ins Nebengelaß zurück, während Hans Castorp mit den neun verbleibenden Teilnehmern das Ende dieses regelmäßig und stets ergebnislos wiederholten Aktes wissenschaftlicher Strenge im Arbeits- und Ordinationszimmer des Doktors erwartete. Der Raum war ihm vertraut von gewissen Plauderstunden her, die er eine Zeitlang, hinter Joachims Rücken, hier mit dem Analytiker abgehalten. Es war, mit seinem Schreibbureau nebst Armsessel und Besucherfauteuil links hinten am Fenster, seiner Handbibliothek zu beiden Seiten der Nebentür, seiner von der Schreibtischgruppe durch einen mehrteiligen Wandschirm getrennten schräg stehenden Wachstuch-Chaiselongue im rechten Hintergrunde, seinem Instrumentenglasschrank im dortigen Winkel, der Hippokratesbüste in einem anderen und dem Stich nach Rembrandts Anatomie über dem Gaskamin an der rechten Seitenwand, alltäglich ein ärztliches Empfangszimmer wie andere mehr; doch waren einige für den besonderen Zweck getroffene Abänderungen in seiner Einrichtung festzustellen. Der Mahagonirundtisch, der gewöhnlich, von Sesseln umgeben, in der Mitte, unter dem elektrischen Lüster auf dem fast den ganzen Boden bedeckenden roten Teppich seinen Platz hatte, war gegen den linken Winkel des Vordergrundes, dorthin, wo die Gipsbüste stand, verrückt, und exzentrisch, näher gegen den brennenden und eine trockene Hitze ausströmenden Kamin hin, stand ein kleineres, leicht bedecktes Tischchen, das ein rot verkleidetes Lämpchen trug, und über dem, von der Decke herab, noch eine weitere, ebenfalls mit rotem und außerdem noch mit schwarzem Schleierstoff umkleidete Birne hing. Auf und neben dem {1019} Tischchen standen ein paar berüchtigte Gegenstände: die Tischglocke, oder eigentlich zwei von verschiedener Konstruktion, eine Handschelle und eine Druckglocke, zum Daraufschlagen, ferner der Teller mit Mehl, der Papierkorb. Etwa ein Dutzend Stühle und Sessel unterschiedlichen Typs umgaben das Tischchen in einem Halbkreis, dessen eines Ende nahe dem Fußende der Chaiselongue und dessen anderes ziemlich genau in der Mitte des Zimmers, unter dem Deckenlüster gelegen war. Hier, in der Nähe des letzten

Weitere Kostenlose Bücher