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Der Zauberberg

Der Zauberberg

Titel: Der Zauberberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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einige Worte, entschuldigte ihre wissenschaftlichen Mängel. Man möge sich hüten, sie im Sinne der Stimmungsmache und Mystifikation zu deuten. Kein Mehr an Licht sei leider beim besten Willen vorerst zu erreichen gewesen. Die Natur der hier in Frage stehenden und zu studierenden Kräfte bringe es nun einmal mit sich, daß sie bei Weißlicht sich nicht zu entwickeln, nicht wirksam zu werden vermöchten. Das sei eine bedingende Tatsache, mit der man sich vorläufig abzufinden habe. – Hans Castorp war es zufrieden. Das Dunkel tat wohl; es milderte die Eigentümlichkeiten der Gesamtlage. Überdies erinnerte er sich zur Rechtfertigung des Dunkels an dasjenige, worin man sich im Durchleuchtungsraum fromm gesammelt und mit dem man sich die Tagaugen gewaschen hatte, bevor man »sah«.
    {1022} Das Medium, so setzte Dr. Krokowski sein Vorwort fort, das er offenbar an Hans Castorp besonders richtete, bedürfe der Einschläferung durch ihn, den Arzt, nicht länger. Sie falle, wie der Kontrolleur schon merken werde, von selbst in Trance, und, dies geschehen, spreche ihr Schutzgeist, der bekannte Holger, aus ihr, an den man sich auch – und nicht an sie – mit seinen Wünschen zu wenden habe. Übrigens sei es irrtümlich und könne Mißlingen zeitigen, zu glauben, man müsse Willen und Gedanken mit Gewalt auf das gewärtigte Phänomen versammeln. Im Gegenteil sei eine halb zerstreute und gesprächige Aufmerksamkeit das Gebotene. Hans Castorp möge vor allem darauf bedacht sein, die Extremitäten des Mediums in untadeliger Obhut zu halten.
    »Man bilde die Kette!« schloß Dr. Krokowski, und so tat man, lachend, wenn im Dunkel die Hände der Nachbarn nicht gleich zu finden waren. Dr. Ting-Fu, Hermine Kleefeld zunächst sitzend, legte seine Rechte auf ihre Schulter und reichte die Linke Herrn Wehsal, der auf ihn folgte. Neben dem Doktor saßen Herr und Frau Magnus, an die A. K. Ferge sich schloß, welcher, wenn Hans Castorp sich nicht täuschte, die Hand der elfenbeinfarbenen Levi zu seiner Rechten hielt, – und so fort. »Musik!« befahl Dr. Krokowski; und der Tscheche, im Rücken des Doktors und seiner Nächsten, ließ laufen und setzte die Nadel auf. »Gespräch!« kommandierte Krokowski wieder, während die ersten Takte einer Ouvertüre von Millöcker erschollen; und gehorsam rückte man sich auf, um eine Unterhaltung in Gang zu setzen, die von nichts und wieder nichts, hier von den Schneeverhältnissen dieses Winters, da von der letzten Speisenfolge, dort von einer Arrivée, einer wilden oder legitimen Abreise handelte und, halb zugedeckt von der Musik, abreißend und wieder anhebend, sich künstlich am Leben hielt. So vergingen einige Minuten.
    Die Platte war noch nicht abgelaufen, als Elly heftig zusam {1023} menzuckte. Ein Zittern durchlief sie, sie seufzte, ihr Oberkörper sank nach vorn, so daß ihre Stirn diejenige Hans Castorps berührte, und gleichzeitig begannen ihre Arme mit denen der Aufseher sonderbar pumpende, vor- und rückwärts stoßende Bewegungen auszuführen.
    »Trance!« meldete kundig die Kleefeld. Die Musik verstummte. Das Gespräch brach ab. In die jähe Stille hinein hörte man des Doktors weich schleppenden Bariton die Frage tun:
    »Ist Holger zur Stelle?«
    Elly erzitterte aufs neue. Sie schwankte auf ihrem Stuhl. Dann spürte Hans Castorp, wie sie mit beiden Händen fest und kurz die seinen drückte.
    »Sie drückt mir die Hände«, teilte er mit.
    »Er«, verbesserte ihn der Doktor. »Er hat sie Ihnen gedrückt. Er ist also gegenwärtig. – Wir gdießen dich, Holger«, fuhr er mit Salbung fort. »Sei uns von Herzen willkommen, Gesell! Und laß dich erinnern! Als du das letztemal unter uns weiltest, versprachst du, jeden beliebigen Abgeschiedenen, sei es ein Menschenbduder oder eine Schwester, herbeizurufen und unseren sterblichen Augen sichtbar zu machen, der dir aus unserem Kreise genannt werden würde. Bist du gewillt und fühlst du dich vermögend, heut dieses Versprechen einzulösen?«
    Wieder schauderte Elly. Sie seufzte und zögerte mit der Antwort. Langsam führte sie ihre Hände nebst denen der Beisitzer an ihre Stirn, wo sie sie eine Weile ruhen ließ. Dann flüsterte sie dicht an Hans Castorps Ohr ein heißes »Ja!«
    Der Sprechhauch unmittelbar in sein Ohr hinein schuf unserem Freund jenes epidermale Gruseln, das man volkstümlich als »Gänsehaut« bezeichnet, und dessen Wesen der Hofrat ihm eines Tages erläutert hatte. Wir sprechen von einem Gruselreiz, um das rein

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