Der Zaubercode
großen Fässer schwankten bedrohlich und Gala konnte sehen, wie das oberste zu fallen begann.
Die Zeit schien fast stehen zu bleiben. Gala sah in ihrem Kopf die Kette der Ereignisse, wie sie sich abspielen würden. Das Fass würde auf das kleine Mädchen fallen und ihren zarten Körper zerquetschen. Gala konnte sogar das genaue Gewicht und die Kraft des fallenden Objekts kalkulieren — und die Überlebenschancen des Kindes.
Das junge Mädchen würde aufhören zu existieren, bevor es überhaupt die Möglichkeit gehabt hätte, das Leben zu genießen.
Nein. Das konnte Gala nicht einfach mit ansehen. Ihr ganzer Körper spannte sich an und ohne einen bewussten Gedanken hob sie ihre Hände in die Luft und richtete sie auf das Fass. Mit Lichtgeschwindigkeit berechnete sie alle notwendigen Parameter, um die richtige Stärke der entgegenwirkenden Kraft zu wissen, die man brauchte, um das fallende Objekt aufzuhalten.
Das Fass hielt im Fall inne und schwebte einige Zentimeter über dem Kopf des Mädchens in der Luft.
Es herrschte betäubende Stille. Die Festbesucher um Gala standen da wie festgewachsen und blickten mit morbider Faszination auf den Fast-Unfall. Der Bierhändler erholte sich zuerst und sprang zu dem Kind, um es unter dem Fass wegzuziehen.
Sobald das Mädchen nicht mehr in Gefahr war, fühlte Gala wie ihre Konzentration nachließ. Das Fass fiel auf den Boden, zerbrach in kleine Holzstücke und das Bier spritzte in alle Richtungen.
Das gerettete Kind begann zu weinen und seine zerbrechliche Gestalt zitterte unter den Schluchzern, während die Zuschauer alle aufatmeten. Viele von ihnen blickten ehrerbietig auf Gala und eine Frau ging einen Schritt auf sie zu, um sie mit bebender Stimme zu fragen: »Sind sie eine Zauberin, meine Dame?«
»Sie hatte nichts damit zu tun; das war der Clown«, erklärte Maya der Frau mit einer wenig überzeugenden Lüge.
Esther schnappte sich Galas Hand. »Lass uns gehen«, drängte sie und zog Gala von der Menge weg.
Gala leistete keinen Widerstand und folgte der alten Frau willig. In ihrem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander. Sie hatte es getan. Sie hatte direkte Magie angewandt, genauso wie Blaise das für sie vorgesehen hatte. Es war kein Zauberspruch gewesen — mit Sicherheit hatte sie nichts gesagt oder aufgeschrieben. Stattdessen fühlte es sich an, als ob etwas tief in ihr genau wüsste, was zu tun war, wie ein versteckter Teil ihr Gehirn gelenkt hatte. Alles, was sie wusste war, dass sie nicht gewollt hatte, dass das Kind verletzt wird, und der Rest war einfach ... passiert.
Als sie weit genug von der Menge entfernt waren, hielt sie an und weigerte sich, weiterzugehen. »Wartet«, sagte sie zu Maya und Esther, beugte sich hinunter und hob einen kleinen Stein vom Boden auf.
»Was machst du da?«, zischte Esther. »Du hast gerade eine Menge Aufmerksamkeit auf dich gelenkt!«
»Wartet einfach, bitte.« Das war zu wichtig für Gala. Sie warf den Stein in die Luft und konzentrierte sich darauf, um das, was sie eben getan hatte, zu wiederholen. Fall nicht, fall nicht, fall nicht, befahl sie in Gedanken und starrte auf den Stein.
Der kleine Stein reagierte überhaupt nicht und fiel ganz normal auf den Boden.
»Was machst du da?« Maya beobachtete sie ungläubig. »Wirfst du Steine?«
Gala schüttelte enttäuscht ihren Kopf. Warum funktionierte das nicht noch einmal? Sie hatte das Fass aufgehalten, warum also nicht auch diesen Stein?
Esther kam zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. »Komm, lass uns nach Hause gehen, Kind«, sagte sie beruhigend. »Wir geben dir noch mehr Eintopf—«
»Nein, danke, ich möchte gerade keinen Eintopf«, antwortete Gala und trat beiseite. »Es tut mir leid, die Aufmerksamkeit auf mich gezogen zu haben, aber ich bedaure nicht, dass dem kleinen Mädchen nichts passiert ist.«
»Natürlich nicht.« Maya blickte Esther böse an. »Du hast das Richtige getan. Ich weiß nicht, wie du es getan hast, aber es war genau das Richtige.«
Gala lächelte und war erleichtert, nicht zu viel falsch gemacht zu haben. Als sie zu den Ständen zurückblickte, bemerkte sie erneut die Musik. Eine lebhafte Melodie spielte in einiger Entfernung und Gala wurde von ihr angezogen, mit dem Versprechen von Schönheit und neuen Gefühlen gereizt. »Ich bin noch nicht soweit, nach Hause zu gehen«, ließ sie Esther wissen. »Ich möchte mehr vom Fest sehen.«
Jetzt sah sogar Maya alarmiert aus. »Meine Dame ... Gala, ich denke nicht, dass du jetzt
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