Der Zauberhut
Besonnenheit.
Schließlich besann sich der Quästor auf seine Würde und straffte die Schultern.
»Was hat das, hm, zu bedeuten?« fragte er. Es klang nicht besonders ehrfurchtgebietend, wie er sich selbst eingestehen mußte, aber der wahrhaft durchdringende Blick tilgte alle Worte aus ihm.
»Ich bin gekommen«, sagte der Fremde.
»Gekommen? Weshalb?«
»Um den mir gebührenden Platz einzunehmen. Wo steht mein Stuhl?«
»Gehörst du zu den Schülern?« erkundigte sich Spelzdinkel. Zorn verbannte die Verlegenheit aus ihm. »Wie heißt du, junger Mann?« Der Knabe ignorierte ihn und wandte sich an die versammelten Zauberer.
»Wer ist hier der mächtigste Magier?« fragte er. »Ich möchte ihn kennenlernen.«
Spelzdinkel nickte kurz. Während der letzten beiden Minuten hatten sich zwei Studienpförtner herangeschlichen, und auf das Zeichen des Quästors hin sprangen sie sofort herbei.
»Werft ihn raus«, sagte Spelzdinkel, und die beiden muskulösen, athletisch gebauten Männer knurrten zustimmend. Hände so breit und dick wie Bananenbündel schlossen sich um pfeifenstieldünne Arme.
»Dein Vater wird davon erfahren«, fügte der Quästor streng hinzu. »Das hat er bereits«, erwiderte der Knabe. Er sah zu den beiden Pförtnern auf und zuckte mit den Achseln.
»Was geht hier vor?«
Spelzdinkel drehte sich um und erkannte Skarmer Billias, den Leiter des Ordens vom Silbernen Stern. Der Quästor war schlank und drahtig, auf Billias traf das genaue Gegenteil zu. Er sah aus wie ein kleiner Ballon, den man aus irgendeinem Grund in blauen Samt und Gezieferpelz gehüllt hatte. Seine Körpermasse wäre für zwei Menschen völlig ausreichend gewesen.
Unglücklicherweise behauptete Billias voller Stolz, gut mit Kindern umgehen zu können, und er sah nun eine Möglichkeit, seine entsprechenden Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Er beugte sich so weit herab, wie es das Abendessen im weit vorgewölbten Bauch erlaubte, und schob dem Jungen ein bärtiges, gerötetes Gesicht entgegen.
»Was ist denn los, Junge?« fragte er.
»Das Kind ist hier eingedrungen, weil es unbedingt einem mächtigen Zauberer begegnen möchte«, brummte Spelzdinkel in einem mißbilligenden Tonfall. Er hielt nichts von Kindern, und vielleicht war das der Grund, warum sie solches Interesse an ihm fanden. Derzeit gelang es ihm mit großem Erfolg, nicht an die aufgebrochene Tür zu denken.
»Und wenn schon«, sagte Billias. »Jeder Junge, der etwas auf sich hält, träumt davon, irgendwann einmal Zauberer zu sein. Ich wollte Zauberer werden, als ich klein war. Dir geht es bestimmt ebenso, nicht wahr, Junge?«
»Kennst du alle Geheimnisse der Magie?«
»Wie?«
»Ich meine, bist du mächtig?«
»Ob ich mächtig bin?« wiederholte Billias. Er richtete sich wieder auf, betastete seinen Umhang, der ihn als Zauberer der achten Stufe auswies, wechselte einen kurzen Blick mit Spelzdinkel und zwinkerte. »Oh, ich glaube schon. Ja, ich bin ziemlich mächtig, so wie es sich für einen guten Zauberer gehört.«
»Dann fordere ich dich heraus. Zeig mir deine stärkste Magie. Nach dem Sieg über dich werde ich Erzkanzler, nicht wahr?«
»Du unverschämter Lüm…« begann Spelzdinkel, aber das schallende Gelächter der anderen Magier übertönte seine Empörung. Billias versuchte, sich auf die Knie zu klopfen, und als er sie nicht erreichen konnte, begnügte er sich mit den Oberschenkeln.
»Du willst ein Duell?« gluckste er. »Offenbar mangelt es dir nicht an Selbstvertrauen.«
»Magische Duelle sind verboten, wie wir alle wissen«, warf der Quästor ein. »Außerdem: Es ist doch lächerlich! Ich habe keine Ahnung, wer die Tür für ihn aufgebrochen hat, aber ich bin nicht bereit, hier herumzustehen und zuzusehen, wie du unsere Zeit verschwen…«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Billias. »Wie lautet dein Name, Junge?«
»Münze.«
»Münze, Herr«, zischte Spelzdinkel.
»Nun, Münze, du möchtest also meine stärkste Magie sehen, wie?«
»Ja.«
»Ja, Herr«, fauchte der Quästor. Münze bedachte ihn mit einem starren Blick. Es war ein Blick so alt wie die Zeit, ein Blick, der sich auf den Felsen vulkanischer Inseln sonnt und dem es dabei nie zu heiß wird. Spelzdinkel spürte, wie sein Gaumen trocken wurde.
Billias streckte die Hände aus und bat um Stille. In einer dramatischen Geste rollte er den linken Ärmel hoch und hob die Hand.
Die versammelten Zauberer sahen interessiert zu. Die Thaumaturgen der achten Stufe standen eigentlich jenseits der Magie
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