Der Zauberlehrling
Maxime ist die Verantwortung für das Verständnis der Botschaft ausschließlich dem Sender übertragen. Ihm ist aufgegeben, dafür zu sorgen, daß die Botschaft auch so beim Empfänger ankommt, wie der Sender sie meint. Ob sie so angekommen ist, wie er sie meint, kann er manchmal dadurch feststellen, daß er seine Botschaft vom Empfänger wiederholen läßt. In den meisten Fällen jedoch kann er den richtigen Empfang seiner Information nur durch Augenschein sicherstellen. Dabei geht es nicht nur darum, Anzeichen für Zweifel oder offene Fragen oder Verwirrung zu entdecken, sondern darüber hinaus wahrzunehmen, welche Gefühle die Botschaft beim anderen auslöst. Denn wenn es schon wichtig ist, auf der Sachebene die Botschaft korrekt hinüberzubringen, es ist noch wichtiger, auf der Beziehungsebene das emotionale Gleichgewicht nicht zu gefährden.
Wissen ist Macht, diesen Satz kennt jeder. Damit ist auch sein Gegenstück „Nichtwissen ist Ohnmacht“ gleichermaßen verbreitet, wenn auch nicht ausdrücklich. Es gibt viele Menschen in unserer Gesellschaft, die nicht gerne Fragen stellen, weil „Fragen stellen“ „nicht wissen“ bedeutet, und „nicht wissen“ bedeutet „unten sein“, einen niedrigen Status einnehmen. So verschwenden viele Menschen lieber Zeit, Energie oder Geld, als zuzugeben, daß sie etwas nicht wissen, fahren lieber stundenlang durch eine fremde Stadt, um eine unbekannte Straße selber zu finden, als nach dem Weg zu fragen, oder studieren nächtelang Nachschlagewerke, um ein Computerprogramm selbst zu installieren, als einen Experten hinzuzuziehen. Daß Nichtwissen ein Grund zur Scham ist, haben wir häufig unseren Lehrern zu verdanken, die auch heute noch ihre Aufgabe als einen Prozeß mißverstehen, der nach dem Vorbild der Nürnberger Trichtermethode angemessen beschrieben werden kann und darüber hinaus ein Mißlingen dem Schüler anlastet. Lehren und Lernen ist jedoch ein Vorgang, der nur als Kommunikation angemessen aufgefaßt werden kann. Und zur Kommunikation von seiten des Lehrenden gehört nicht nur die angemessene Vermittlung des Stoffs, sondern die Verantwortung für dessen angemessene Aneignung auf seiten des Lernenden. Dieser Verantwortung für das angemessene Lernen kann der Lehrer nur nachkommen, indem er durch verbale Verfahren oder nonverbale Mittel die erfolgreiche Verarbeitung seiner Lehrangebote überprüft. Eine Erfolgskontrolle seiner Lehrtätigkeit bei der Korrektur von Klassenarbeiten kommt zu spät.
Genaue Wahrnehmung körpersprachlicher Signale, z.B. der Zustimmung und der Ablehnung, gehört zu den unabdingbaren Fähigkeiten von Menschen, zu deren wichtigsten beruflichen Aufgaben das Verkaufen gehört. Ein Verkäufer, der die Ja- und die Nein-Reaktionen seiner Kunden erkennt, auch wenn diese sich mit Worten nicht äußern, verfügt trotzdem über die nötigen Hinweise auf eine angemessene Vorgehensweise im Verkaufsgespräch. Wenn genaue Wahrnehmung eine spontane Aktivität des normalen Verhaltensrepertoires eines Verkäufers darstellt, wird er bereits das Ausmaß an Interesse festgestellt haben, bevor er einen Kunden überhaupt anspricht. Er wird bei der Informationssammlung die wichtigsten Bedürfnisse und Vorlieben leicht erkennen und ohne verbale Rückmeldung wissen, welche Gesichtspunkte bei der Produktpräsentation besonders betont werden müssen. Er erhält Hinweise darüber, welche Gesichtspunkte er nicht weiter ausführen sollte, er erkennt Einwände, auf die er besonders eingehen sollte, um zu einem Verkaufsabschluß zu kommen, der die Bedürfnisse der Kunden optimal befriedigt.
Auch wenn Menschen nicht aus beruflichen Gründen mit anderen Menschen zusammenkommen, Kommunikation also kein Mittel zu einem anderen Zweck darstellt, ist genaue Wahrnehmung eine sinnvolle Fähigkeit, die zu trainieren sich lohnt. Menschen sind keine Einzelgänger, sie gehen soziale Beziehungen ein, weil in Gemeinschaft zu sein, mit anderen zusammen und für andere etwas zu tun, Freunde zu haben und zu lieben ihnen die Befriedigung eines Bedürfnisses ist. Nun sind Beziehungen zu anderen Menschen keine Geschenke, die das Schicksal freimütig vergibt. Gute soziale Beziehungen sind Resultate des eigenen Handelns. Ich selber muß etwas tun, um sie herzustellen, aufrechtzuerhalten und vor allem in Problem- und Konfliktsituationen in der Lage zu sein, sie zu bewahren. Bei solchen Bemühungen ist genaue Wahrnehmung der gefühlsmäßigen Einstellung anderer mir gegenüber von großer
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