Der Zauberspiegel
an den Haaren auf die Feier gezerrt zu werden oder sich freiwillig dort zu langweilen, sagte Aran mit rauer Stimme: »Geh ruhig.«
»Wirklich?« Stumm flehte sie darum, eine Ausrede zu erhalten. Vergeblich.
»Ich brauche keine Wache, Juliane. Ich liege nicht im Sterben«, meinte Aran mit amüsiert funkelnden Augen. »Geh und feiere mit den anderen. Hab Spaß.«
Ein Diener schlug mit seinem Stock auf den Boden und zog die Aufmerksamkeit der Gäste im Saal auf sich. »Die Thronfolgerin, Prinzessin Kalira von Goryydon, Enkelin der Erbin der Amazonenkrone Khkiras und Herrin Juliane, die Drachentochter, Auserwählte und Heldin des Reiches.«
So angekündigt, betraten die beiden die Festhalle unter dem Applaus der Anwesenden.
Juliane zwang sich zu einem Lächeln und flüsterte Kalira zu: »Ich hasse das.«
Kalira lächelte in die Runde. »Nur Mut, sei zu allen höflich, lächle und alles ist in schönster Ordnung.«
Juliane stöhnte. »Warum konnte ich nicht bei Aran bleiben?« Sie schaffte es, weder wegen der Schleppe an ihrem langen Kleid zu stolpern noch andere Peinlichkeiten zu verursachen, und den Abend zu überstehen.
Es wurde sogar ganz amüsant, als sie sich zu Brack, Dengar und einigen altgedienten, khkiraischen Soldaten gesellte. Sie lachte über deren derbe Witze, die sie wagten, in ihrer Gegenwart auszusprechen, nachdem Juliane über eine zotige Bemerkung gekichert hatte, lauschte ihrem Fachsimpeln und wurde hellhörig, als einer von ihnen auf Zadieyek zu sprechen kam.
»Das war ein Weib! Schön soll sie gewesen sein wie der junge Morgen und wild wie ein Mustang, so erzählt die Legende«, begann ein einäugiger Khkirani.
»Heimtückisch wie eine Schlange war sie«, warf ein zweiter ein.
Der Einäugige zwinkerte. »Unsinn, du verwechselt sie mit ihrer Feindin, der Kriegerpriesterin. Zadieyek hatte viel Ehrgefühl. Solche Königinnen wie sie gibt es nur selten. Kenne zumindest keine, die für ihr Volk sterben würde.«
»Stimmt«, murmelte der andere. »Als sie und ihre Amazonen den Krieg gegen Goryydon zu verlieren drohten, stellte sie sich dem feindlichen Heerführer und starb den Ehrentod.«
Ihr silberblondes Haar war steif und rot vom Blut.
Den Weg zu Chourt bewältigte sie nur mithilfe ihres Kampfstockes, auf den sie sich unauffällig stützen konnte. Sie straffte sich und ging betont langsam und aufrecht. Niemand sollte ihre Schwäche bemerken. Zadieyek drehte sich ein letztes Mal zu Giamo um.
»Das ist dann also ein Abschied für immer?«, fragte er heiser.
»Nichts ist für immer. Wir sehen uns wieder, ich verspreche es dir.«
»Sie wäre sowieso gestorben, noch ehe die Sonne untergegangen wäre«, flüsterte Juliane.
Brack starrte sie an. »Was?«
Sie schüttelte den Kopf. »Mir ist nicht wohl, ich glaube, ich ziehe mich besser zurück.«
Juliane warf das Kleid auf das Bett ihres Gemachs, zog sich Hemd und Hosen an und lief in das Krankenzimmer. Sie weckte die Burgheilerin, die auf dem Lehnsessel eingeschlafen war, schickte sie fort und ließ sich am Bettrand nieder. Endlich allein, konnte sie ihren Kummer nicht länger zurückhalten.
Juliane schluchzte leise, während sie Aran betrachtete. Tränen verschleierten ihren Blick, und erst als sie eine sanfte Berührung in ihrem Haar wahrnahm, merkte sie, dass Aran aufgewacht war. Er zog sie in seine Arme.
»Weine nicht, was ist passiert?«
»Sie haben sich so geliebt. Ich will mich nicht schon wieder von dir trennen müssen!« Die Furcht vor einer Trennung schnürte ihr das Herz zusammen. Ihr Innerstes schien eine einzige zuckende Masse Schmerz zu sein.
»Pst«, murmelte er und wischte die Tränen fort. Aran legte eine Hand unter ihr Kinn, hob den Kopf und strich ihre Haare mit der anderen aus dem Gesicht. Er flüsterte etwas auf morvannisch, beugte sich über sie und küsste sie auf die Wange. Die zarte Geste entfachte Hitze in Juliane. Aran zog sie an sich. »Nichts wird uns trennen, Juliane. Nichts!«
Er hob sie trotz ihres leisen Protests hoch und legte sie in sein Bett. Er streckte sich neben ihr aus und legte seine Arme um sie. Geborgen in seiner Umarmung, schlief sie irgendwann ein.
Juliane saß gemeinsam mit Aran und ihren Freunden in der Bibliothek, als Rael und Elyna gefolgt von zwei Lakaien den Raum betraten. Die Dienstboten trugen einen schmalen, hohen Gegenstand, der sich unter einem Tuch verbarg.
»Meine Lieben, ihr müsst euch ansehen, was die Diener gefunden haben«, sagte Elyna begeistert.
Die Männer
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