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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zerbrochen war,
    umgab das Loch mit einer großen funkelnden Blume. Er streckte die
    Hand aus und berührte einen Splitter. Er bewegte sich wie ein lebendiges Wesen, schnitt ihm in den Finger, fiel dann zu Boden und erstarrte
    wieder, als er das Körperteil des Novizen verließ.
    Berühre keine Personen, hatte Lu-Tze gesagt. Berühre keine Pfeile.
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    Berühre keine Dinge, die sich bewegen. So lautete die Regel. Aber die Glassplitter…
    … aber die Glassplitter waren in der normalen Zeit durch die Luft
    geflogen und verfügten noch immer über ein entsprechendes
    Bewegungsmoment.
    Vorsichtig schob sich Lobsang an den glitzernden Splittern vorbei und öffnete die Eingangstür des Ladens.
    Sie bewegte sich sehr langsam und leistete der enormen
    Geschwindigkeit Widerstand.
    Lu-Tze befand sich nicht auf der Straße. Dafür bemerkte der Novize
    etwas anderes, ein Objekt, das dicht über dem Boden schwebte, genau
    dort, wo zuvor der alte Mönch gestanden hatte.
    Es war ein kleines Glas, dem temporale Effekte einen bläulichen Ton
    gaben. Nun… wie viel Bewegungsenergie konnte in einem solchen
    Gegenstand stecken? Lobsang wölbte die Hand, schob sie vorsichtig
    unter das Glas und spürte jähes Gewicht, als es vom Zeitfeld des
    Zauderers erfasst wurde.
    Jetzt kehrten die wahren Farben zurück. Das Glas war milchig rosarot, was aber nicht am Glas selbst lag, sondern an seinem Inhalt. Der
    Pappdeckel zeigte unglaublich makellose Erdbeeren, umgeben von
    kunstvoller Schrift:

    Soak? Er kannte den Namen! Der Mann hatte der Gilde Milch gebracht!
    Gute, frische Milch, nicht das wässrige, grünliche Zeug, das andere
    Milchmänner lieferten. Sehr zuverlässig, meinten alle. Aber ob
    zuverlässig oder nicht: Er war nur ein Milchmann. Zugegeben, er war ein sehr guter Milchmann, aber die Zeit hatte angehalten, und eigentlich sollte er…
    Lobsang sah sich verzweifelt um. In den Straßen herrschte noch immer 243

    das übliche Durcheinander aus Leuten und Karren. Niemand hatte sich
    bewegt. Niemand konnte sich bewegen.
    Aber etwas lief am Rinnstein entlang. Es sah wie eine Ratte aus, die einen Kapuzenmantel trug und auf den Hinterbeinen lief. Sie sah zu
    Lobsang auf, und er bemerkte, dass sie keinen Kopf in dem Sinne hatte, eher einen Schädel. In diesem Fall wirkte der Schädel recht fröhlich.
    Das Wort QUIEK formte sich hinter seiner Stirn, ohne den Umweg
    über die Ohren zu nehmen. Dann sprang die Ratte aufs Pflaster und
    verschwand in einer Gasse.
    Lobsang folgte ihr.
    Nur einen Augenblick später packte ihn jemand am Kragen. Er
    versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, stellte dabei fest, wie sehr er sich beim Kampf auf das Zeitschneiden verlassen hatte. Außerdem hielt ihn die unbekannte Person mit großer Entschlossenheit fest.
    »Ich wollte nur gewährleisten, dass du keine Dummheiten machst«,
    erklang eine Stimme. Offenbar gehörte sie einer Frau. »Was ist das Ding auf deinem Rücken?«
    »Wer bist…«
    »In solchen Fällen verlangt es das Protokoll, dass man zuerst die
    Fragen der Person beantwortet, die den tödlichen Nackengriff
    anwendet«, sagte die Stimme.
    »Äh, es ist ein Zauderer. Äh, er speichert Zeit. Wer…«
    »Meine Güte, fängst du schon wieder an. Wie lautet dein Name?«
    »Lobsang. Lobsang Ludd. Äh, könntest du mich bitte aufziehen? Es ist sehr dringend.«
    »Oh, klar. Lobsang Ludd, du bist gedankenlos und impulsiv und
    verdienst es, einen dummen, sinnlosen Tod zu sterben.«
    »Was?«
    »Außerdem bist du schwer von Begriff. Meinst du diese Kurbel?«
    »Ja. Meine Zeit wird knapp. Darf ich dich jetzt fragen, wer du bist?«
    »Fräulein Susanne. Halt still.«
    Lobsang hörte ein sehr willkommenes Geräusch: Das Uhrwerk des
    Zauderers wurde wieder aufgezogen.
    244

    »Fräulein Susanne?«, wiederholte er.
    »So nennen mich die meisten Leute. Ich lasse dich jetzt los und rate dir dringend davon ab, irgendetwas Dummes anzustellen. Außerdem bin ich
    auf der ganzen Welt die einzige Person, die eventuell bereit wäre, erneut deine Kurbel zu drehen.«
    Der Druck am Nacken ließ nach. Lobsang drehte sich langsam um.
    Fräulein Susanne erwies sich als zierliche junge Frau, streng in Schwarz gekleidet. Das weißblonde Haar formte eine Art Aura um ihren Kopf
    und hatte eine schwarze Strähne. Doch das Eindrucksvollste an ihr
    war… alles, fand Lobsang. Einfach alles, von ihrem Gesichtsausdruck
    bis zu der Art, wie sie dastand. Manche Personen verschwanden im
    Hintergrund. Fräulein Susanne hingegen trat

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