Der Zeitdieb
zerbrochen war,
umgab das Loch mit einer großen funkelnden Blume. Er streckte die
Hand aus und berührte einen Splitter. Er bewegte sich wie ein lebendiges Wesen, schnitt ihm in den Finger, fiel dann zu Boden und erstarrte
wieder, als er das Körperteil des Novizen verließ.
Berühre keine Personen, hatte Lu-Tze gesagt. Berühre keine Pfeile.
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Berühre keine Dinge, die sich bewegen. So lautete die Regel. Aber die Glassplitter…
… aber die Glassplitter waren in der normalen Zeit durch die Luft
geflogen und verfügten noch immer über ein entsprechendes
Bewegungsmoment.
Vorsichtig schob sich Lobsang an den glitzernden Splittern vorbei und öffnete die Eingangstür des Ladens.
Sie bewegte sich sehr langsam und leistete der enormen
Geschwindigkeit Widerstand.
Lu-Tze befand sich nicht auf der Straße. Dafür bemerkte der Novize
etwas anderes, ein Objekt, das dicht über dem Boden schwebte, genau
dort, wo zuvor der alte Mönch gestanden hatte.
Es war ein kleines Glas, dem temporale Effekte einen bläulichen Ton
gaben. Nun… wie viel Bewegungsenergie konnte in einem solchen
Gegenstand stecken? Lobsang wölbte die Hand, schob sie vorsichtig
unter das Glas und spürte jähes Gewicht, als es vom Zeitfeld des
Zauderers erfasst wurde.
Jetzt kehrten die wahren Farben zurück. Das Glas war milchig rosarot, was aber nicht am Glas selbst lag, sondern an seinem Inhalt. Der
Pappdeckel zeigte unglaublich makellose Erdbeeren, umgeben von
kunstvoller Schrift:
Soak? Er kannte den Namen! Der Mann hatte der Gilde Milch gebracht!
Gute, frische Milch, nicht das wässrige, grünliche Zeug, das andere
Milchmänner lieferten. Sehr zuverlässig, meinten alle. Aber ob
zuverlässig oder nicht: Er war nur ein Milchmann. Zugegeben, er war ein sehr guter Milchmann, aber die Zeit hatte angehalten, und eigentlich sollte er…
Lobsang sah sich verzweifelt um. In den Straßen herrschte noch immer 243
das übliche Durcheinander aus Leuten und Karren. Niemand hatte sich
bewegt. Niemand konnte sich bewegen.
Aber etwas lief am Rinnstein entlang. Es sah wie eine Ratte aus, die einen Kapuzenmantel trug und auf den Hinterbeinen lief. Sie sah zu
Lobsang auf, und er bemerkte, dass sie keinen Kopf in dem Sinne hatte, eher einen Schädel. In diesem Fall wirkte der Schädel recht fröhlich.
Das Wort QUIEK formte sich hinter seiner Stirn, ohne den Umweg
über die Ohren zu nehmen. Dann sprang die Ratte aufs Pflaster und
verschwand in einer Gasse.
Lobsang folgte ihr.
Nur einen Augenblick später packte ihn jemand am Kragen. Er
versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, stellte dabei fest, wie sehr er sich beim Kampf auf das Zeitschneiden verlassen hatte. Außerdem hielt ihn die unbekannte Person mit großer Entschlossenheit fest.
»Ich wollte nur gewährleisten, dass du keine Dummheiten machst«,
erklang eine Stimme. Offenbar gehörte sie einer Frau. »Was ist das Ding auf deinem Rücken?«
»Wer bist…«
»In solchen Fällen verlangt es das Protokoll, dass man zuerst die
Fragen der Person beantwortet, die den tödlichen Nackengriff
anwendet«, sagte die Stimme.
»Äh, es ist ein Zauderer. Äh, er speichert Zeit. Wer…«
»Meine Güte, fängst du schon wieder an. Wie lautet dein Name?«
»Lobsang. Lobsang Ludd. Äh, könntest du mich bitte aufziehen? Es ist sehr dringend.«
»Oh, klar. Lobsang Ludd, du bist gedankenlos und impulsiv und
verdienst es, einen dummen, sinnlosen Tod zu sterben.«
»Was?«
»Außerdem bist du schwer von Begriff. Meinst du diese Kurbel?«
»Ja. Meine Zeit wird knapp. Darf ich dich jetzt fragen, wer du bist?«
»Fräulein Susanne. Halt still.«
Lobsang hörte ein sehr willkommenes Geräusch: Das Uhrwerk des
Zauderers wurde wieder aufgezogen.
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»Fräulein Susanne?«, wiederholte er.
»So nennen mich die meisten Leute. Ich lasse dich jetzt los und rate dir dringend davon ab, irgendetwas Dummes anzustellen. Außerdem bin ich
auf der ganzen Welt die einzige Person, die eventuell bereit wäre, erneut deine Kurbel zu drehen.«
Der Druck am Nacken ließ nach. Lobsang drehte sich langsam um.
Fräulein Susanne erwies sich als zierliche junge Frau, streng in Schwarz gekleidet. Das weißblonde Haar formte eine Art Aura um ihren Kopf
und hatte eine schwarze Strähne. Doch das Eindrucksvollste an ihr
war… alles, fand Lobsang. Einfach alles, von ihrem Gesichtsausdruck
bis zu der Art, wie sie dastand. Manche Personen verschwanden im
Hintergrund. Fräulein Susanne hingegen trat
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