Der Zeitdieb
sie so etwas für völlig normal hielt und viel interessantere Dinge gesehen hatte. Dann ging sie weiter und blieb an der Innentür
stehen. Noch immer glühte Licht durch den Spalt, aber nicht mehr so
hell wie vorher.
»Es kommt zur Ruhe«, sagte Susanne. »Sollte eigentlich nicht so
schlimm sein… Zwei Personen befinden sich dort drin.«
»Wer?«
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»Warte, ich öffne die Tür. Und sei vorsichtig.«
Die Tür bewegte sich ganz langsam, und Lobsang trat nach der jungen
Frau in die Werkstatt. Der Zauderer drehte sich schneller.
Die Uhr glühte in der Mitte des Zimmers. Es schmerzte, den Blick auf sie zu richten.
Lobsang starrte trotzdem hin. »Ich… genau so habe ich sie mir
vorgestellt«, sagte er. »Nur so kann sie…«
»Kommt ihr nicht zu nahe«, warnte Susanne. »Es droht unsicherer
Tod, glaub mir. Bitte pass auf.«
Lobsang blinzelte. Die letzten beiden Gedanken schienen nicht von
ihm zu stammen.
»Was hast du gesagt?«
»Dort droht unsicherer Tod.«
»Ist das schlimmer als sicherer Tod?«
»Viel schlimmer. Ich zeig’s dir.« Susanne griff nach einem Hammer,
der auf dem Boden lag, und schob ihn langsam der Uhr entgegen. Er
vibrierte, während er ihr näher kam, und die junge Frau fluchte leise, als ihr der Hammer plötzlich aus der Hand gezogen wurde und verschwand.
Unmittelbar vor dem Verschwinden sah Lobsang einen sich
schließenden Ring, der die Uhr umgab und gewisse Ähnlichkeit mit
einem Hammer hatte, der ganz flach gepresst und zu einem Kreis
gebogen war.
»Hast du eine Ahnung, warum das passiert ist?«, fragte Susanne.
»Nein.«
»Ich auch nicht. Stell dir vor, dir erginge es so wie dem Hammer.
Unsicherer Tod, verstehst du?«
Lobsang sah zu den beiden erstarrten Personen. Eine war mittelgroß
und verfügte über alle notwendigen Gliedmaßen, um als ein Exemplar
der Spezies Mensch definiert zu werden, was man zu ihren Gunsten
auslegen sollte. Sie blickte zur Uhr. Ebenso die zweite Person: ein Mann in mittleren Jahren, der recht verwirrt wirkte, in der einen Hand eine Tasse Tee und in der anderen einen Keks hielt, soweit Lobsang das
erkennen konnte.
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»Derjenige, der einen Schönheitswettbewerb nicht einmal als einziger Teilnehmer gewinnen würde, ist ein Igor«, sagte Susanne. »Der andere ist Dr. Hopkins von der hiesigen Uhrmachergilde.«
»Also wissen wir endlich, wer die Uhr konstruiert hat«, meinte
Lobsang.
»Das glaube ich nicht. Hopkins’ Werkstatt befindet sich einige Straßen entfernt, und er stellt besondere Uhren für sehr besondere Kunden her.
Das ist seine Spezialität.«
»Dann… hat der Igor die Uhr gebaut?«
»Meine Güte, nein! Igors sind Diener. Sie arbeiten nie für sich selbst.«
»Du scheinst eine ganze Menge zu wissen«, sagte Lobsang, als Susanne um die Uhr herumging wie ein Ringer, der nach einem Ansatzpunkt
suchte.
»Ja«, bestätigte sie, ohne den Kopf zu drehen. »Ich weiß tatsächlich viel. Die erste Uhr dieser Art ging kaputt. Diese ist stabil. Sie wurde von einem Genie entwickelt.«
»Von einem bösen Genie?«
»Schwer zu sagen. Ich entdecke keine Hinweise.«
»Was für Hinweise?«
»Wenn an einer Seite ›Hahaha‹ geschrieben stünde – das wäre ein guter Hinweis«, erwiderte Susanne und rollte mit den Augen.
»Ich bin eine Last für dich, nicht wahr?«, fragte Lobsang.
»Nein, ganz und gar nicht.« Susanne richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Werkbank. »Ansonsten scheint es hier nichts zu geben. Vielleicht hat er eine Art Schaltuhr verwendet, einen Wecker zum Beispiel…«
Sie unterbrach sich und griff nach einem Gummischlauch, der neben
den Gläsern zusammengerollt an einem Haken hing. Sie betrachtete ihn einige Sekunden, warf ihn dann in eine Ecke und starrte so darauf hinab, als hätte sie nie zuvor einen Schlauch gesehen.
»Sei ganz still«, sagte sie leise. »Sie haben einige sehr scharfe Sinne.
Weiche zu den großen Glasfässern hinter dir zurück und versuch,
möglichst unauffällig zu sein. Jetzt sofort .«
Das letzte Wort hatte einen sonderbaren Klang, und Lobsang spürte,
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wie sich seine Beine fast von ganz allein in Bewegung setzten.
Die Tür bewegte sich, und ein Mann kam herein.
Später wurde dem Novizen klar, wieso das Gesicht des Mannes so
seltsam gewirkt hatte: Man konnte es sich kaum merken. Es war ein
Gesicht, dem es vollkommen an besonderen Merkmalen fehlte. Es gab eine Nase, einen Mund und zwei Augen, und alles verdiente die
Bezeichnung makellos, aber irgendwie ergab es
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