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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich war noch keine fünf
    Minuten in Ankh-Morpork, als einige Männer in einer Gasse versuchten, mir all die Dinge abzunehmen, die ich besaß. Ich fand das sehr
    erleuchtend, denn es verriet mir, wie lächerlich materielle Dinge sind.«
    »Aber warum Ankh-Morpork?«, fragte Lobsang.
    »Sieh hinten im Buch nach«, erwiderte Lu-Tze.
    Dort fand Lobsang ein vergilbtes, zusammengefaltetes Blatt Papier. Er entfaltete es.
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    »Ach, das ist doch nur ein Blatt aus dem Almanach «, sagte er. »Ist in Ankh-Morpork sehr beliebt.«
    »Ja. Ein Sucher nach Wahrheit hat es hier zurückgelassen.«
    »Äh… Hier sind die Mondphasen aufgeführt.«
    »Die andere Seite«, sagte der Kehrer.
    Lobsang drehte das Blatt. »Das ist eine Anzeige der Kaufmannsgilde.
    ›Ankh-Morpork hat alles!‹« Er sah den lächelnden Lu-Tze an. »Und… du dachtest, dass…«
    »Ah, ich bin alt und einfach und verstehe«, sagte der Kehrer. »Du
    hingegen bist jung und kompliziert. Sah Wen nicht Zeichen in den
    Breimustern seines Napfes und im Flug der Vögel? Dies steht geschrieben.
    Ich meine, der Flug von Vögeln kann sehr komplex sein, und aber dies sind Worte. Nach einem Leben der Suche fand ich schließlich einen Weg.
    Meinen Weg.«
    »Und du hast den ganzen weiten Weg bis nach Ankh-Morpork
    zurückgelegt…«, sagte Lobsang fassungslos.
    »Und so landete ich, ruhigen Geistes und mit leeren Taschen, in der
    Quirmstraße«, erklärte der Kehrer und lächelte heiter, als er sich daran erinnerte. »Dort erblickte ich ein Schild im Fenster, auf dem geschrieben stand: ›Zimmer zu vermieten.‹ Auf diese Weise lernte ich Frau
    Kosmopilit kennen. Auf mein Klopfen hin öffnete sie die Tür, und als ich zögerte, weil ich nicht wusste, welche Sprache ich benutzen sollte, sagte sie: ›Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, weißt du.‹ Fast aufs Wort genau ein Ausspruch von Wen! Sofort wurde mir klar, dass ich gefunden hatte, was ich suchte! Tagsüber spülte ich das Geschirr in einem
    Gasthaus, für zwanzig Cent pro Tag und alle Speisereste, die ich tragen konnte. Abends half ich Frau Kosmopilit, das Haus zu reinigen, und ich hörte immer aufmerksam zu, wenn sie etwas sagte. Sie fegte mit einem guten, natürlichen Rhythmus, und sie bewies enorme Weisheit. Schon
    nach zwei Tagen sprach sie jene Worte, die über Wens Lippen kamen,
    als er die wahre Natur der Zeit verstand! Es geschah, als ich um einen Nachlass bat, weil ich nicht im Bett schlief, sondern auf einer Matte. Da sagte sie: ›Ich bin nicht von gestern, Herr Lu-Tze!‹ Erstaunlich! Und dabei kann sie die Heiligen Texte überhaupt nicht gelesen haben!«
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    Lobsang sah den Kehrer groß an. »›Ich bin nicht von gestern‹?«,
    wiederholte er.
    »Ah, ja, als Novize bist du nicht so weit gekommen«, sagte Lu-Tze.
    »Wen schlief in einer Höhle ein und träumte von der Zeit, die ihm zeigte, dass das Universum von Sekunde zu Sekunde endlos neu erschaffen
    wird und die Vergangenheit nur eine Erinnerung ist. Daraufhin trat er aus der Höhle in die wahrhaft neue Welt und sprach: ›Ich bin nicht von
    – gestern!‹«
    »Oh, ja«, sagte Lobsang. »Aber…«
    »Ah, Frau Kosmopilit.« Lu-Tzes Augen trübten sich. »Sie verstand es
    wundervoll, Dinge sauber zu halten! Wenn sie hier Kehrer wäre, würde sie niemandem erlauben, über den Boden zu gehen. Ihr Haus! Einfach
    wundervoll! Ein Palast! Alle zwei Wochen neue Laken! Und wie sie
    kochte! Man käme in Versuchung, einen Zyklus des Universums
    aufzugeben, um ihre auf Toast gebackenen Bohnen auch nur probieren zu dürfen!«
    »Ähm«, sagte Lobsang.
    »Ich blieb drei Monate und fegte das Haus, wie es sich für einen
    Schüler gehört. Und dann kehrte ich hierher zurück, den Weg klar vor mir.«
    »Und, äh, die Geschichten über dich…«
    »Oh, sie entsprechen alle der Wahrheit. Die meisten von ihnen. Hier
    und dort mögen sie ein wenig übertrieben sein, aber sie sind größtenteils wahr.«
    »Was ist mit der Zitadelle in Muntab und dem Pascha und der Gräte?«
    »Oh, ja.«
    »Aber wie konntest du hineingelangen, obwohl sechs ausgebildete
    Bewaffnete nicht einmal…«
    »Ich bin ein kleiner Mann und habe nur einen Besen«, sagte Lu-Tze
    schlicht. »Praktisch überall gibt es schmutzigen Boden, der gefegt werden muss. Ein Mann mit einem Besen ist völlig harmlos.«
    »Was? Und das war alles ?«
    »Der Rest war nur eine Frage des richtigen Kochens. Der Pascha war
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    kein guter Mann, aber bei Fischpastete wurde er zum

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