Der zeitlose Winter
steife Mann verächtlich und murmelte irgendeine spöttische Bemerkung darüber, dass der Preis des Buches seine Mittel bei weitem übersteigen würde.
Tetsuo lächelte Glen zu, der unschuldig neben dem Brotkasten stand und die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte. Dann wandte er sich wieder Fischmehl zu. »Sagen Sie – Sie sind offenbar ein Bücherliebhaber. Gibt es sonst noch irgendetwas, das Sie interessieren würde?«
Fisch dachte einen Augenblick nach und erzählte ihm von seinen Studien. Tetsuo erhob sich, ging zu dem steifen Mann hinüber und redete wild gestikulierend auf ihn ein. Der Mann sah aus, als wollte ihm der Kopf vom Hals fallen. Schließlich warf er Fisch einen weiteren wütenden Blick zu, ging zum letzten Tisch in der Ecke und zog zwei übergroße Bücher hervor, die in Leder und marokkanische Seide gebunden waren. Tetsuo kam zum Tisch zurück, und Fisch hörte, wie Harold einen leisen Pfiff ausstieß. Als Tetsuo die Bücher vor ihm ablegte, erkannte er den Grund.
Fisch hatte angedeutet, dass er sich für Bücher über Landkarten und Kartografie interessierte - je mysteriöser und ungewöhnlicher, desto besser. Die Bücher, die Tetsuo ihm zeigte, waren in punkto mysteriöse Landkarten und Kartografie von beinahe unübertrefflicher Bedeutung. Es handelte sich um Wiegendrucke aus dem frühen fünfzehnten Jahrhundert in einem Einband aus dem achtzehnten Jahrhundert, und den Beschreibungen der Titelseite zufolge waren es englische Übersetzungen der Schriften des Eratosthenes. Während Fisch die Bücher vorsichtig durchblätterte, erklärte Tetsuo, der Grieche Eratosthenes sei der erste Kartograf gewesen, der sich der globalen Geografie gewidmet und es sich zum Ziel gemacht hätte, die Weltkarte zu vervollkommnen. Außerdem hatte er die Bibliothek von Alexandria geleitet – mehr als zweihundert Jahre vor Jesu Geburt.
Weiterhin erzählte Tetsuo, dass Eratosthenes vermutlich die erste Karte herstellte, die der Tatsache Rechnung trug, dass die Erde eine Kugel ist. Sie bildete die Grundlage für die Arbeit aller späteren Kartografen und Geografen, die sich ihrer als Schablone bedienten – alle Verbesserungen, die vorgenommen wurden, betrafen nur Einzelheiten.
»Eratosthenes’ These, dass die Welt eine Kugel sei, wurzelte in einer Berechnung, von der er glaubte, dass sie den Erdumfang bestimmte«, sagte Tetsuo. »Seine Berechnung war äußerst genau – seine anfängliche Messung lag nur um etwa zehn Prozent zu hoch. Eratosthenes begriff, dass diese Messung nur eine grobe Schätzung war, und bemühte sich um die Entwicklung genauerer Methoden. Dabei führte er auch eine Möglichkeit ein, die Astronomie für die Bestimmung der Breitenmaße einer Kugel zu nutzen, und machte somit die mathematische Berechnung von Entfernungen zwischen den Regionen der Erdoberfläche möglich.«
Fisch blickte überrascht auf. »Er hat die Breitenkreise entdeckt?«
Tetsuo nickte. »Und die Meridiane, was zum praktischen und wissenschaftlichen Nutzen von Landkarten beitrug. Ohne eine genaue Uhr konnte er zwar die Messung der Meridiane nie ganz vervollkommnen. Dennoch ist es ihm gelungen, zwei fast perfekte Messungen des Erdumfangs anzustellen.«
»Zwei Messungen?«
»Ja. Nachdem er seine Methoden erst einmal verbessert hatte, begann er mit seinen Versuchen und stellte überrascht fest, dass sich zu bestimmten Zeiten im Jahr seine Ergebnisse um gut einen Kilometer unterschieden.«
»Vielleicht waren seine Methoden ungenau«, sagte Fisch skeptisch.
»Nein«, erwiderte Tetsuo, »seine Methoden gingen weit über den Wissensstand seiner Zeit hinaus, und er führte seine Versuche immer auf die gleiche Weise durch. Die einzige Erklärung war geradezu sokratisch: Die Tage, an denen seine Zahlen abwichen, fielen auf das Ende des Mondzyklus’, während des so genannten ›Unsichtbaren Mondes‹. So kam er schließlich zu dem Schluss, dass der Mond in Wirklichkeit vollkommen verschwand und seinen Messungen auf nicht nachvollziehbare Weise einen Kilometer hinzufügte. Während seiner Zeit in Alexandria verfasste Eratosthenes zwei geografische Abhandlungen, eine über die Messung der Erde und eine weitere mit dem Titel Geografika. Beide sind verloren gegangen, doch einige Gelehrte glauben, dass Reste seines Werkes in Abschriften überlebt haben. Ich glaube, die Bücher, die Sie in der Hand halten und die wir erst in dieser Woche entdeckt haben, sind solche Abschriften.«
»Es freut mich sehr, dass Sie sie mir
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