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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Schauspieler! So sagt ihr Dichter doch, oder? Laß uns die große Rede aus den Acharnern hören, wie du es uns versprochen hast.«
    Natürlich ist die große Rede aus den Acharnern ein Appell für den Frieden mit Sparta und besagt, daß wir genausoviel Schuld am Kriegsausbruch hatten wie die Spartaner – genau deshalb hatte ich Aristo phanes dazu gedrängt, es uns zu versprechen lassen, sie vorzutragen. Kurz, ich machte mit ihm genau das, was er Theoros zufolge mit mir vorgehabt hatte, und obwohl das Publikum über seine große Rede lachte, lachte es aus einem völlig falschem Grund.
    Danach sangen wir die Harmodios-Hymne, veranstalteten ein Rätselraten, und Moschos spielte den Orthian, aber ich war viel zu erschöpft, um mich noch groß am weiteren Geschehen zu beteiligen. Zum Schluß saß ich neben Philonides, dem Chorleiter, und während Theoros (der inzwischen stockbetrunken war) eine Hymne auf Dionysos sang, lehnte er sich zu mir herüber und sagte: »Wenn du alt genug bist, um dein Stück Die Heerführer auf die Bühne zu bringen, wirst du einen Chorleiter brauchen.«
    »Sicher«, entgegnete ich.
    »Ich sehe mir immer gern ein Stück direkt nach seiner Fertigstellung an, damit ich mir schon mal die Tanzschritte überlegen kann. Mein Haus steht in der Nähe des Hephaistos-Tempels – jeder dort kann es dir zeigen.«
    Ich dankte ihm vielmals, aber er grinste nur und wandte sich von mir ab. Damals war es für einen Chorleiter wie Philonides beinahe unerhört, an einen Dichter heranzutreten; das ist fast so, als würde der Kapitän eines Kriegsschiffs die Besatzung um Rat fragen, wann man ihrer Meinung nach zu rudern anfangen solle.
    Da ich mein Glück nicht herausfordern wollte, verließ ich das Fest kurz darauf. Das war natürlich ein Fehler, denn man sollte nie eine Feier verlassen, bevor nicht alle persönlichen Feinde gegangen oder bereits zu betrunken sind, um einem noch gefährlich zu sein. Wie mir später zu Ohren kam, wurde mein Name nach meinem Aufbruch mit einer Anzahl äußerst zwielichtiger Gestalten in Verbindung gebracht. Aus einem unerfindlichen Grund nehmen die Leute jedes Gerücht, das irgendwer auf einem Fest ausstreut, für bare Münze; und einer der Gäste, der an jenem Abend ein ganz bestimmtes Gerücht hörte, war Alkibiades …
     
    Noch Tage danach war ich so sehr von mir eingenommen, daß man es mit mir kaum aushalten konnte, und selbst Philodemos und mein lieber Kallikrates betrachteten mich allmählich als unerträglich. Natürlich führte ich dieses Verhalten auf Neid zurück, aber ich dachte auch zum erstenmal darüber nach, daß ich demnächst, und zwar nach dem Erreichen der Volljährigkeit, Philodemos’ Haus verlassen und selbständiger Hausbesitzer sein würde. Also brauchte ich für diesen Fall dringend eine Ehefrau.
    Seit der Nacht mit den Serenadensängern hatte ich Phaidra und ihre Familie regelmäßig besucht, so daß meine Absichten inzwischen klar auf der Hand lagen. Die Familie schien die Vorstellung zu begrüßen, mich als Schwiegersohn zu haben, was ich auf mein Vermögen und, wie ich befürchte, auf meinen geistreichen Verstand und meine persönliche Ausstrahlung zurückführte. Sie schien sogar ausgesprochen glücklich darüber zu sein, ohne die sonst üblichen Phasen der Brautwerbung direkt zur Verlobung übergehen zu können.
    Doch Philodemos, der für mich die Verhandlungen führte, war anscheinend nicht willens, so schnelle Fortschritte zu machen, und bestand auf formelle Gespräche über die Mitgift, obwohl Phaidras Familie vollkommen damit einverstanden zu sein schien, das bezahlen zu dürfen, was wir forderten. Ich fand das Verhalten meines Onkels äußerst ärgerlich und stritt mich mit ihm darüber.
    »Aber verstehst du das denn nicht, du kleiner Dummkopf?« fuhr er mich an. »Wenn die so erpicht darauf sind, dir das Mädchen aufzuhalsen, muß das irgendeinen Grund haben…«
    »Aufhalsen?« erwiderte ich wütend. »Was meinst du denn mit aufhalsen? Phaidra ist hübsch und gebildet, ihre Familie bietet fünfundzwanzig Morgen…«
    »Eben«, unterbrach mich mein Onkel. »Das Mädchen ist fast sechzehn und immer noch nicht versprochen. Welch Erklärung hast du dafür?«
    »Ganz einfach«, antwortete ich und versuchte verzweifelt, mir eine auszudenken. »Sie ist einem Mann versprochen gewesen, der auf einmal sein ganzes Vermögen verloren hat oder im Krieg gefallen ist.«
    »Glaubst du nicht, daß ihre Familie so etwas erwähnt hätte?« hakte mein Onkel

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