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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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nicht statt dessen die große Rede aus den Acharnern vortragen? Die kann ich auswendig.«
    »Vielleicht später«, wandte Aristophanes ein. »Aber erst einmal würden wir gern etwas von dem unsterblichen Eupolis hören. Habe ich recht?«
    »Na gut, wenn du darauf bestehst«, erwiderte ich bescheiden. »Mal sehen«, grübelte ich, »ich könnte den Dialog der Ziegenhirten aus Der Hof des Peisistratos vortragen.«
    Aristophanes wurde knallrot. »Keine Dialogszene«, wehrte er ab. »Für einen einzelnen Sprecher ist es viel zu schwer, Dialoge richtig vorzutragen. Laß uns etwas aus deinem Stück Die … ehm… Die Entführer hören.«
    »Da gibt es am Ende eine gute Szene«, willigte ich sofort ein. »Eine betrunkene Gesellschaft, unter der sich auch eine thessalische Zauberin befindet.«
    Einige der Gäste ahnten bereits, was inzwischen vor sich ging. »Das klingt gut«, sagten sie. »Laß uns die Szene mit der thessalischen Zauberin hören.«
    »Diese Szenen mit Zauberinnen sind doch vollkommen überholt, findet ihr nicht?« murrte Aristophanes. »Was ist mit der Parabasel Die würde sich doch wirklich zu hören lohnen, oder?«
    Das war ein gefährlicher Moment, doch ich verlor nicht den Kopf. Wie Sie sich vielleicht erinnern, hatte ich Ihnen erzählt, daß meine Mutter zu sagen pflegte, ich hätte noch vor meinem ersten Satz in Prosa schon in Versform geredet. Nun, unter richtigem Druck kann ich aus dem Stegreif in Versen sprechen – zugegebenermaßen keine sehr guten, aber immerhin in korrektem Versmaß. Ich holte tief Luft, räusperte mich und begann, Anapäste vorzutragen.
    Bevor Aristophanes begriff, was ich tat, hatte ich bereits mehrere Zeilen gesprochen, und da war es natürlich schon zu spät, mich aufzuhalten. Das Thema meiner Parabase aus dem Stegreif waren die jedes Jahr wiederkehrenden verleumderischen Beschimpfungen der Konkurrenten bei den Festspielen. Ich begann mit dem gewöhnlichen Angriff auf Kratinos – seine ekelhaften Trinkgewohnheiten und dergleichen –, gab dann ein paar Zeilen über Pherekrates zum Besten, bevor ich das Hauptziel meines Spotts attackierte, nämlich Aristophanes, wobei ich mich, was bösartige Kraftausdrücke und zusammengesetzte Schimpfnamen betraf, auf seine eigenen Angriffe auf Kleon stützte.
    Der Sohn von Philippos (sagte ich) stiehlt nicht nur Ziegen, sondern klaut auch von besseren und geistreicheren Dichtern Witze, Szenen und ganze Chöre, die er zufällig in Weinhandlungen und den öffentlichen Bädern aufschnappt und sich dann auf einer kleinen Schreibtafel notiert, die er im Ärmel seines Chitons trägt. Natürlich schreibt er so schnell, daß er hier und da ein falsches Wort aufzeichnet, und weil er zu dumm ist, um wirklich geistreiche Schriften zu verstehen, bemerkt er die Fehler nicht und gibt sie in dem Text wieder, den er dem Ausschuß vorlegt. Sein Motiv für diesen geistigen Diebstahl im großen Stil ist nicht, wie man vielleicht vermutet, Neid, sondern geschieht vielmehr, weil er einerseits seine eigenen dürftigen und einfallslosen Texte verbessern will und andererseits keine Zeit zum Schreiben hat. Schließlich unternimmt er andauernd Kurzausflüge nach Sparta, um seinem Freund Brasidas Bericht über unsere Flottentaktik zu erstatten – was, davon habt ihr nichts gewußt? Warum drängt er eurer Meinung nach denn sonst die Stadt, endlich die Friedensangebote der Spartaner anzunehmen, obwohl diese schon auf den ersten Blick völlig unzulänglich sind? Ihr wollt Beweise? Nun, ihr wißt, daß die Spartaner nicht wie normale Menschen Münzen als Zahlungsmittel benutzen, sondern riesige Eisenbarren, die wie Bratspieße geformt sind. Wenn ihr jemals in Aristophanes’ Haus gewesen wärt, hättet ihr in seiner Feuerstelle einen nagelneuen Eisenspieß liegen sehen, in den in dorischen Lettern ›Hergestellt in Sparta‹ geprägt ist.
    Nun richteten sich alle Augen auf die Feuerstelle, erblickten einen wunderschönen Eisenspieß, in den dorische Buchstaben eingraviert waren (eigentlich lauteten sie ›Hergestellt in Platää‹, aber ich war der einzige, der nahe genug saß, um sie entziffern zu können), und die Gesellschaft brach in brüllendes Gelächter aus. Insbesondere Euripides schien höchst amüsiert zu sein.
    »Zugabe!« rief er. »Und jetzt laß uns die Szene mit der thessalischen Zauberin hören.«
    »Nein, lieber nicht«, widersprach ich, indem ich mit erhobener Hand um Ruhe bat, »und jetzt ab mit den Flötistinnen und Bühne frei für die

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