Der Ziegenchor
niemand findet.«
»Du hast in meinem Namen eingezogenen Besitz gekauft? Hast du eigentlich eine Vorstellung, was die Leute über uns sagen werden?«
»Sicherlich«, antwortete Phaidra, und sie lächelte dabei hinterhältig.
Heute frage ich mich, warum ich damals so lange gebraucht habe, um dahinterzukommen. Natürlich wußte Phaidra genausogut wie ich, daß der Aufkauf des eingezogenen Besitzes eines hingerichteten Mannes nicht nur höchstes Unheil bedeutete, sondern auch von allen anständigen Menschen für fast so schlimm wie Grabschändung gehalten wurde. Der alleinige Grund, warum Phaidra dieses Haus gekauft hatte, war also, mich so schlecht wie möglich dastehen zu lassen. Sie wußte außerdem, daß ich keine Möglichkeit hatte, aus der Sache herauszukommen, denn sie mußte mein persönliches Siegel benutzt haben, um den Vertrag mit dem staatlichen Gerichtsvollzieher aufzusetzen. Wenn ich ein Dokument mit meinem Siegel nicht anerkannt hätte, hätte ich danach ein Leben lang Schwierigkeiten gehabt, in Athen etwas Größeres als einen kleinen Breitling zu kaufen.
»Ein Glück, daß du heute zurückgekommen bist«, fuhr Phaidra fort. »Heute ist nämlich der letzte Zahltermin, und soviel ich weiß, ist der Zinssatz ziemlich hoch.«
Ich wußte, daß ich mich geschlagen geben mußte. »Also schön, du Miststück!« fuhr ich sie an. »Wieviel hat mich der ganze Spaß gekostet?«
»Ein Talent«, antwortete sie und kicherte.
Ich setzte mich auf eine Liege und stützte den Kopf in die Hände, als mir plötzlich ein anderer Gedanke kam.
»Und was ist das alles für Plunder?« fragte ich und fuchtelte mit den Armen in Richtung der ganzen Liegen und des silbernen Geschirrs. »Wo kommt das alles her?«
»Wenn wir meine Familie und die Freunde meines Vaters bewirten wollen«, antwortete Phaidra in freundlichem Ton, »soll das Haus schließlich nicht wie eine Scheune aussehen, findest du nicht? Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, von den Händlern wollte mir niemand Kredit geben, deshalb sind sämtliche Möbel und auch alles andere bereits bezahlt. Ich habe meine fünfundzwanzig Morgen Land verkauft.«
»Du hast was verkauft?«
»Meine Mitgift, meine fünfundzwanzig Morgen Land.« Sie kicherte erneut und schien sich prächtig zu amüsieren. »Die sind damals vor deiner Abreise nicht formell auf dich überschrieben worden, falls du dich erinnerst, und deshalb konnte sie mein Vater verkaufen. Natürlich hat er nicht annähernd den vollen Gegenwert dafür erhalten – wer kauft heutzutage schon Weingärten? –, aber zusammen mit den paar Münzen, die du vor deiner Abreise nicht weggeschlossen hattest, hat das Geld gerade so gereicht. Aber sag mal, wäre es nicht allmählich angebracht, zum Haus deines Onkel hinüberzugehen, um das Talent zu holen?«
»Wer hat dir erzählt, daß ich ein Talent besitze?« brüllte ich sie an, aber sie drehte sich einfach um und verschwand in den Innenraum. Weil ich mich fürchtete zu sehen, mit welchen Wundern der Silberschmiedekunst sie ihn dekoriert hatte, traute ich mich nicht, ihr zu folgen. Also versetzte ich dem libyschen Jungen einen wütenden Tritt in den Hintern, legte die Rüstung ab und begab mich auf kürzestem Weg zum Haus meines Onkels.
Nur zum Spaß versuchte ich, gegen den staatlichen Gerichtsvollzieher vorzugehen. Der Vertrag war nicht ganz fehlerlos abgefaßt – ich glaube, einer der Götter war in der Anrufungsklausel weggelassen worden –, aber die von mir zu Rate gezogenen Anwälte sagten mir, ich sollte das vergessen; kein Gericht werde mit einem Menschen Mitleid haben, der eingezogenen Besitz gekauft und dann versucht habe, dem Staat durch den Rücktritt von einem besiegelten Vertrag ein Schnippchen zu schlagen.
Mein Onkel löste meine unmittelbaren finanziellen Probleme, indem er für zehn Jahre einen Teil meines Lands in Phyle pachtete, das im Moment nichts einbrachte und in absehbarer Zukunft höchstwahrscheinlich nichts als eine Belastung gewesen wäre. Zudem bezahlte er mir einen nach den Vorkriegsernten bemessenen Betrag, was ziemlich dasselbe war, als hätte er mir das Geld geschenkt, und tatsächlich bezeichnete er diese Geste noch lange Zeit später als sein eigentliches Hochzeitsgeschenk für mich. Er konnte sich so großzügig geben, weil der Anteil meines Großvaters an den Silbergruben, die mein Onkel behalten hatte, als er mir den Rest meines Besitzes übergab, dank des Krieges beträchtliche Gewinne einbrachte. Außerdem lieh er
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