Der Ziegenchor
mir genug zum Kauf eines Anteils an einer Ruderblattwerkstatt, die einigen seiner Freunde gehörte, was sich als die beste Investition erweisen sollte, die ich je getätigt hatte.
Jetzt, nachdem mein neues Haus bezahlt war und ich dort wohnte, versuchte ich, das Beste daraus zu machen; aber ich haßte mein neues Heim. Zunächst einmal wurde ich das Gefühl nicht los, daß in jeder Ecke das Unglück des Vorbesitzers lauerte, und obwohl ich mehrmals seinem Geist Opfer darbrachte und alles, was sich in Sichtweite befand, mit Hühnerblut besprenkelte (was Phaidra überhaupt nicht gefiel), war mir die Vorstellung, in diesem Haus allein zu sein, nie angenehm.
Dann weigerten sich natürlich viele der Leute, die Exekestiades gekannt hatten, einen Fuß in das Haus zu setzen, weil er ein beliebter Mann war und, nach allem, was man hört, ein guter und ehrlicher Politiker gewesen war. Als wollte sie mir den Verlust soviel guten gesellschaftlichen Umgangs ersetzen, fing Phaidra damit an, das Haus mit ihren Verwandten und den Freunden ihres Bruders zu füllen, von denen ich niemanden ausstehen konnte. Auf der anderen Seite hätte ich es vorgezogen, täglich mit einem Hausvoll Thesalliern zu essen und zu trinken, als auch nur einen einzigen Abend allein mit Phaidra verbringen zu müssen.
Wie mein häusliches Leben aussah, können Sie sich leicht vorstellen, wenn ich Ihnen verrate, daß ich es nie geschafft habe, Phaidra auch nur ein einziges Mal wegen des Hauskaufs richtig zusammenzustauchen; sie kam mir stets zuvor. Kaum hatte ich den Fuß über die Schwelle gesetzt, lag sie mir mit einer neuen Beschwerdeliste in den Ohren, so daß ich ewig durch irgendwelche unbedeutende häusliche Kleinigkeiten in die Defensive gedrängt war. Streitereien und schlechte Laune habe ich immer gehaßt – ich kriege davon Kopfschmerzen und scheine die Wörter nicht mehr richtig herauszubekommen. Deshalb zog ich es bald darauf vor, taktische Rückzüge anzutreten (wie die athenischen Feldherren bei Marathon), normalerweise in die Vorratskammer oder sogar in die Ställe, wo es warm und bis auf das Atmen der Pferde ruhig war. Ich bekam sehr wenig Schlaf – ich glaube, Phaidra schlief tagsüber viel, damit sie nachts aufbleiben und jammern konnte – und hatte natürlich überhaupt keine Hoffnung, im eigenen Haus auch nur ansatzweise so etwas wie eine Komödie schreiben zu können. Der einzige Ausweg, der mir offenstand, war, so selten wie möglich zu Hause zu sein, und genau das wollte Phaidra natürlich.
Also verbrachte ich den Großteil meiner Zeit entweder auf dem Marktplatz, im Haus meines Onkels oder mit dem Besuch von Freunden, und die Freude, aus dem Haus zu sein, verlieh meinen Tätigkeiten einen zusätzlichen Glanz. In dieser Zeit gewann ich nützliche Freunde und lernte die meisten einflußreichen Bürger Athens kennen. Es ist merkwürdig, aber Leute, über die getratscht wird, neigen geradewegs dazu, die Gesellschaft anderer berühmt-berüchtigter Menschen zu suchen, und da die Geschichte von meinen hausinternen Regelungen schon lange in ganz Athen zu einer Quelle anhaltenden Vergnügens geworden war, mangelte es mir nie an Gesellschaft oder Vertraulichkeiten. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, Zielscheibe des Spotts zu sein, ist das eine durchaus nützliche Besonderheit, wenn man ein einigermaßen dickes Fell hat. Die Menschen haben nämlich vor einem keine Angst mehr, und das führt dazu, daß Schranken fallen.
Wann immer sich mir die Möglichkeit bot, ging ich natürlich hinaus aufs Land, insbesondere nach Pallene, wo Phaidra auf keinen Fall hinwollte. Auf dem Land gab es immer etwas zu tun, und die Arbeit hielt mich gesund. Da es aufgrund der ständigen Gefahr eines spartanischen Überfalls sinnlos war, neue Weinreben oder Olivenbäume anzupflanzen, konzentrierten wir uns darauf, nur das anzubauen, was wir in der vorhandenen Zeit ziehen konnten. Viele der Feldfrüchte, die wir ausprobierten, wurden in Attika nur sporadisch angepflanzt (zum Beispiel Flachs und Hanf und einige seltene Bohnensorten und Hülsenfrüchte, und auf einige unserer Erfolge war ich durchaus stolz, wohingegen ich über den ein oder anderen Fehlschlag nicht allzu betrübt war. Insbesondere fand ich heraus, daß Bohnen und Lupinen weit unterschätztes Saatgut waren. Weil Attika so trocken ist und sämtliche Arten Dünger nur mit Gold aufzuwiegen sind, pflanzen die meisten attischen Bauern Bohnen zur Gründüngung – das heißt, sie bauen die Pflanzen auf
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