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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Brachland an und pflügen sie ungeerntet um, noch bevor sie reif sind. Aber ich habe festgestellt, daß man Bohnen vom Brachland ernten kann, ohne den Boden merklich auszulaugen; der bloße Akt des Pflanzens scheint der Muttererde außerordentlich wohlzutun. Außerdem, wo die Spartaner stehendes Getreide verbrannt hatten, war der Boden viel lockerer und ergiebiger, und ich erinnerte mich an eine Stelle in einem der alten Gedichte – ich glaube, es war von Hesiod –, die mich zu dem Glauben brachte, daß unsere Vorfahren bei einigem Getreide bewußt die Halme und Ähren abbrannten, um das Land fruchtbarer zu machen. Was Wasser anbetraf, gelang es mir, meine Nachbarn dazu zu bewegen, einige der Gebirgsbäche, die selbst im Sommer nicht versiegen, umzuleiten, so daß sie unten durch unsere Terrassen flossen und zum künstlichen Bewässern benutzt werden konnten. Die meisten Menschen hielten uns für verrückt, aber kaum hatten wir die ersten Ernten eingebracht, hätten sie am liebsten wegen unerlaubter Wasserumleitungen gegen mich geklagt. Ich bestand außerdem darauf, auf meinen sämtlichen Ländereien das ganze Jahr hindurch mindestens fünfmal umzupflügen und auch bei Frost und Tau zu arbeiten. Das war zwar harte und auch kostspielige Arbeit – es schien kaum ein Tag zu vergehen, an dem ich nicht in der Schmiede war, um eine neue Pflugschar zu bestellen –, doch waren die Ergebnisse geradezu atemberaubend, und ich konnte die Rückkehr des Friedens und die damit verbundene Möglichkeit, wieder Gerste anzubauen, kaum abwarten.
    Darüber hinaus gab es die Jagd – durch die spartanischen Überfälle wimmelte es in Attika von Hasen, Hirschen und Wildschweinen, und sogar Bären kehrten allmählich wieder zurück – sowie den Vogel- und natürlich auch den Fischfang, der seit Kriegsbeginn zu einem äußerst wichtigen Bestandteil im Leben vieler Menschen geworden war. Meine Abneigung gegen das Meer bedeutete, daß ich mich persönlich daran nur wenig beteiligte, aber ich legte Geld in Fischerboote und sogar in ein kleines Küstenfahrzeug an, so daß ich Ernteüberschüsse an der Küste entlang befördern konnte, um sie in anderen Teilen Attikas zu verkaufen, anstatt sie den ganzen Weg über Land bis in die Stadt und noch entferntere Gegenden transportieren zu müssen. Kurz gesagt, ich amüsierte mich auf dem Land großartig, wie Sie wahrscheinlich bereits vermutet haben, und schadete niemandem.
    Vor allen Dingen machte ich mich wieder an mein Stück. Körperliche Arbeit empfand ich für die Dichtung äußerst förderlich, und da ich den kompletten Text des Heerführers im Kopf mit mir herumtrug, konnte ich daran feilen, wo immer ich mich gerade aufhielt. Ich bin sicher, daß mehrere meiner Saisonarbeiter, wenn sie noch leben, Ihnen heute noch die großen Reden aus diesem Stück vortragen könnten, denn diese haben sie oft genug gehört, und als vernünftige Menschen waren sie stets darauf bedacht, nur an den richtigen Stellen zu lachen. Wenn es zum Arbeiten zu heiß wurde und wir alle im Schatten des nächsten Baums Schutz suchten, haben wir hin und wieder meinen Nachbarn ein paar Szenen vorgeführt. Natürlich übernahm ich die Hauptrolle, und der kleine Zeus war mein Einmannchor; die restlichen Rollen wurden unter den Sklaven und den freien Arbeitern verteilt. Ich bezweifle, ob ich jemals wieder ein dankbareres Publikum als diese Bauern von Pallene und Phrearrhos haben werde, die allesamt recht froh darüber waren, einen Grund zu haben, nach einem Morgen harter Arbeit still daliegen zu dürfen und nicht erst drei Tragödien über sich ergehen lassen zu müssen, bevor sie in den Genuß einer Komödie kamen. Auf jeden Fall lohnte es sich, sie zu beobachten, um festzustellen, was sie zum Lachen brachte und was unbemerkt verpuffte, wie weit man einen Witz treiben konnte, bevor er langweilig wurde, und wie lang die ein oder andere Szene im Idealfall sein durfte.
    Soweit ich mich erinnern kann, zögerte ich den furchtbaren Tag, an dem ich nichts mehr an dem Stück verändern konnte, ohne es vollkommen zu verderben, und es dem Archon vorlegen mußte, so lange wie möglich hinaus – wie ein Gutspächter den Tag verflucht, an dem er seinen Jahresertrag herbeischaffen muß, damit er gemessen und geteilt werden kann. Am meisten fürchtete ich mich davor, keinen Chor bewilligt zu bekommen; schließlich gab es bereits mehr Komödiendichter als Chöre, und nach dem, was ich mitbekam, meldeten sich fast jeden Tag neue. Wann immer

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