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Der Ziegenchor

Der Ziegenchor

Titel: Der Ziegenchor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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antwortete, ja, der sei ich, und fragte ihn, ob ihn das etwas angehe, woraufhin er wieder anfing, an meinem Umhang zu zerren, und ich schon fürchtete, er könnte die Spange kaputtmachen.
    »Dann sollst du sofort mit mir zu ihr nach Hause kommen«, sagte der Junge mit lauter Stimme. »Jedenfalls sagt das meine Herrin.«
    »Hör mal! Wer, in Gottes Namen, bist du eigentlich, und was willst du überhaupt?« schnauzte ich ihn an. »Ich bin gerade von Samos zurück und möchte…«
    »Ich bin dein Sklave Doron«, erwiderte der Junge. »Du solltest lieber mitkommen.«
    Ich schulterte meinen Schild und folgte ihm fast durch die ganze Stadt, bis wir zu den vergleichsweise prunkvollen Häusern in der Nähe des alten Fischmarkts kamen. Aristophanes und viele andere reiche, vornehme junge Männer wohnten in dieser Gegend. Wir blieben vor der Tür eines großen, stattlichen Hauses stehen, das ich als Heim eines gewissen Exekestiades in Erinnerung hatte, der kurz vor meiner Hochzeit wegen Hochverrats hingerichtet worden war.
    »Und was wollen wir hier?« fragte ich.
    »Du wohnst hier, Herr«, antwortete der Junge. »Beeil dich!«
    Ich konnte daraus nicht schlau werden, deshalb spuckte ich in meinen Umhang, um das Glück heraufzubeschwören (zumal ich ein von Unglück und Tod heimgesuchtes Haus betrat), und folgte ihm hinein.
    Wir kamen in einen großen kalten Raum mit einer hohen Decke, den irgend jemand äußerst kostspielig hatte ausstatten lassen. Auf dem Tisch stand ein silbernes Mischgefäß, rundum von silbernen und goldenen Kelchen mit Reliefs umgeben; überall hingen persische Wandteppiche, und auf dem Boden lagen baktrische Läufer; die Liegen hatten Beine aus Bronze, und neben der Feuerstelle stand eine große vergoldete Statue von Agamemnon, wie er bei seiner Rückkehr aus Troja von Klytaimnestra ermordet wird, die, schätzte ich, den Besitzer genauso viel Geld gekostet haben mußte, wie mir mein Grundbesitz in Phyle in einem Jahr einbrachte. Vor dem Feuer schliefen zwei teure spartanische Hunde, und von den Dachsparren hingen zwei Vogelkäfige und ein Affenjunges herab. Bei diesem Prunk gewann man den Eindruck, im Haus einer äußerst wohlhabenden Witwe zu sein.
    Die Tür zum Innenraum öffnete sich, und in ihr stand Phaidra, gekleidet in ein Saffrankleid. »Du bist also tatsächlich wieder da!« begrüßte sie mich.
    »Was, in Zeus’ Namen, geht hier eigentlich vor?« wollte ich wissen.
    »Steh gefälligst nicht mit deinen schmutzigen Sandalen auf dem Teppich rum!« schimpfte Phaidra. »Immerhin hat er dich zwölf Drachmen gekostet, und du kannst von Glück sagen, ihn dafür gekriegt zu haben.«
    Ich trat vom Teppich auf den Steinfußboden. »Wessen Haus ist das hier eigentlich, Phaidra?« fragte ich. »Und was, zum Teufel, tust du hier? Du solltest im Haus meines Onkels sein.«
    »Schließlich ist das hier dein Haus, du undankbarer Flegel!« entgegnete sie gereizt. »Oder es wird zumindest dein Haus sein, nachdem du zum Büro des Archons gegangen bist und es bezahlt hast. Dein gräßlicher Onkel wollte nämlich nichts von dem Geld in deiner Kassette herausrücken.«
    »Du hast dieses Haus vom staatlichen Gerichtsvollzieher gekauft?« keuchte ich.
    »Nein, du hast es gekauft«, antwortete sie. »Schließlich ist es mir nicht erlaubt, Grundbesitz zu erwerben. Vergiß das nicht.«
    Wenn ich nicht so überrascht gewesen wäre, dann weiß ich nicht, wie ich reagiert hätte. Aber ich stand einfach nur wie benommen da, wobei mir der Lorbeerkranz (verliehen für die Rettung des Lebens eines athenischen Mitbürgers) mittlerweile völlig schief auf dem Kopf saß, und versuchte, ein paar passende Worte zu finden, und während ich noch danach suchte, fuhr Phaidra bereits fort.
    »Schließlich konnte ich nicht weiter in dem Haus deines Onkels wohnen – ich meine, der Mann ist unerträglich, der kommandiert mich andauernd herum, als ob ich sein Dienstmädchen oder sonstwas wäre. Und deinen ach so anständigen Vetter Kallikrates kann ich einfach nicht ausstehen. Ich glaube nicht, daß wir die beiden jemals wiedersehen werden. Außerdem ist das hier ein gutes Haus – klar, es ist ziemlich teuer, aber du kannst es dir gerade so leisten, wenn du etwa ein Jahr lang sparsam bist. Natürlich wirst du ein Weilchen ein wenig knapp bei Kasse sein und mußt vielleicht auf einige deiner Weingärten in Pallene eine Hypothek aufnehmen, aber das sollte kein Problem sein. Ich bin sicher, die wird mein Vater übernehmen, falls sich sonst

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