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Der Zimmerspringbrunnen

Der Zimmerspringbrunnen

Titel: Der Zimmerspringbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Sparschuh
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versuchen?« streifte mich plötzlich Boldingers warme Stimme am Ohr.
    Ich sank in mich zusammen, legte den Kugelschreiber nieder und stand langsam auf. Boldinger nickte mir zu. Über meinen Rücken liefen eiskalt mehrere Gänsehautwellen. Ich ging nach vorn, zunächst sah ich nur schwarz. Dann nahm ich den feindlich blitzenden Budenzauber wahr, und dahinter, in Bereitschaft, Strüver, der mir aufmunternd zulächelte.
    Schwer sank ich auf den Stuhl.
    Strüver fing auch gleich an: »Tja, Herr Lobek – Ihr Produkt (mit der flachen Hand wies er auf Budenzauber) gefällt mir schon. Aber, was den Preis betrifft, da sagt meine Frau doch garantiert: Nein.« Zur Bekräftigung schüttelte er den Kopf und legte demonstrativ den Kugelschreiber ab. Er schob ihn weit von sich, in meine Richtung.
    Ich schaute Strüver lange an. Er hielt meinem Blick nicht stand, senkte die Augen, nickte aber weiter. Auch ich nickte nun, langsam, voller Mitgefühl. Das verstand ich, sehr gut sogar verstand ich das. Ich mußte an Julia denken und wie ich mit ihr um jedes Sägeblatt, jeden Sperrholzposten für meinen Hobbyraum gerungen hatte. Nicht buchstäblich, aber: geistig gerungen!
    Ja, das war es dann wohl.
    Wehmütig mußte ich lächeln: Ade, Vertreterkarriere!
    Ich sah mich schon kleinlaut nach Hause kommen, Julias mitfühlende Blicke, die meine Niederlage nur noch schlimmer machen würden …
    Zum Abschied, gewissermaßen als leises Servus, wollte ich mir aber den schicksalhaften Budenzauber wenigstens noch einmal in Betrieb anschauen … Ich drückte vorsichtig die beiden Knöpfe: Eine kleine, schüchterne Fontäne stieg auf, sie wurde von unten wechselnd grün und blau beleuchtet … Ein schönes, ein trauriges Bild, das sehr zu meiner Stimmung paßte!
    Beim Anschalten allerdings war ich versehentlich zu weit über das Gerät gekommen; mein Gesicht war naß geworden. Ich mußte mein Taschentuch ziehen …
    »Jetzt müssen Sie unterschreiben, Strüver!« hörte ich aus der Tiefe des Raums Boldingers leise Stimme. »Wenn Sie kein Herz aus Stein haben, müssen Sie jetzt unterschreiben.«
    Ich saß da wie von einem zarten Donner gerührt.
    Und tatsächlich – folgsam nahm Strüver den Stift auf und warf einen Kringel auf das Blatt.
    »Das war   … toll ist gar kein Ausdruck!«
    Ungläubig sah ich zu Boldinger, der mit raschen Schritten und seltsam ausgebreiteten Armen nach vorn gekommen war und mir immer wieder zunickte. (Ich schüttelte nur den Kopf und schloß die Augen, mit wohligem Schauder dachte ich an Hugelmann & Co!).
    Was Boldinger im einzelnen sagte, ist mir entfallen. Nur: Ich hätte »Tatsachen sprechen lassen«, ich hätte, in einer scheinbar ausweglosen Situation, auf geradezu geniale Weise die therapeutische Wirkung des Budenzaubers an mir selbst demonstriert. »Wir brauchen keine Schnellsprechweltmeister, sonst entsteht so ein Gefälle: auch der Kunde soll ja mal einen Augenblick sprachlossein dürfen.« Und genau diese Möglichkeit hätte ich ihm gegeben …
    Boldinger sah mich bewundernd an, wie man eine exotische Pflanze ansieht: »Herrschaften, das nenne ich östliche Ruhe und meditative Kraft! Ja, Mensch, auch wir hier im Westen können von Ihnen lernen. Durchaus!«
    Die Kollegen klopften jetzt mit ihren Stiften Beifall auf die Tischplatten. Mir war das peinlich. Und da ich nicht wußte, wohin ich blicken sollte, sah ich, als ich an meinen Platz ging, zu Boden.
    Später, am Abend, saß ich noch ein bißchen unten im Aufenthaltsraum des »Föhrentaler Hofs«. Die anderen zogen wahrscheinlich durch irgendwelche Kneipen. Zwar, man hatte auch mich eingeladen, aber ich spürte, seit meinem Erfolg bei Boldinger waren die anderen Kollegen auf vorsichtige, abwartende Distanz gegangen. Nur Nöstich war gleich nach dem Seminar zu mir gekommen, hatte stumm meine Hand geschüttelt und mir seine Visitenkarte überreicht. Halblaut fiel unter anderem das Wort »Zusammenhalt«.
    So saß ich also an diesem Abend für mich allein und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Sollte Bad Sülz tatsächlich zu einem Wendepunkt in meinem Leben werden? Es sah ganz danach aus, obwohl es sicher noch zu früh war, an diesen kleinen Erfolg große Hoffnungen zu knüpfen. So beschloß ich also, anstatt in der Zukunft herumzuspekulieren, zunächst – nach der Erinnerung – meine Protokollaufzeichnungen zu Strüvers Seminar zu vervollständigen.
    Als ich damit fertig war, sah ich mich im Aufenthaltsraum um. In der Nußbaumvitrine zwischen

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