Der zögernde Schwertkämpfer
erleichtert an.
»Vielleicht kann dir das unser ehrwürdiger Freund erklären«, sagte Wallie. »Warum ließ es die Göttin wohl zu, daß so viele Vergehen begangen wurden? Wir können doch davon ausgehen, daß Sie unrechtes Tun verabscheut. Stimmt das, Heiligkeit?« Er sah hinunter auf die zusammengekauerte kleine Gestalt neben ihm.
»Ich bin keine Heiligkeit mehr«, sagte Honakura kleinlaut. »Aber, ja, von dieser Vermutung können wir ausgehen.«
»Und ich verabscheue es«, sagte Wallie, »wenn Mentoren ihre Schützlinge züchtigen. Und doch habe ich Euch einmal ziemlich schmerzhaft zugesetzt, mein junger Freund.«
Nnanjis Augen leuchteten strahlendweiß in der Dunkelheit. »Das geschah, um den Bann, der auf mir lag, zu brechen, mein Lord.«
Plötzlich merkte Wallie, daß mittschiffs unerwartete Dinge vor sich gingen. Er versuchte, nicht allzu offen in diese Richtung zu blicken, doch es sah ganz danach aus, als ob Katanji sehr dicht zu Kuhi hingerutscht wäre. Nnanji kniete mit dem Rücken zu den beiden.
»Ich glaube, daß die Götter versucht haben, meinen Bann zu brechen, Nnanji.«
»Auf Euch lag kein Bann, mein Lord!« widersprach Nnanji voll treuer Hingabe.
»O doch! Ich habe es dir einmal erklärt – es widerstrebt mir, Menschen zu töten.«
Nnanji öffnete den Mund und schloß ihn wieder.
»Der Gott befahl mir, Hardduju zu töten. Ich habe es getan, aber nur, weil ich den ganz speziellen Auftrag dazu hatte. Darüber hinaus hatte ich nur den Auftrag, ein ehrenhafter und tapferer Schwertkämpfer zu sein. Ein ehrenhafter Schwertkämpfer hätte Tarru und seine niederträchtigen Machenschaften nicht einen Augenblick lang dulden dürfen. Ich habe auf dich eingeschlagen und dich gereizt, bis du die Beherrschung verlorst und mich angriffst. Die Götter haben mich in eine Ecke gedrängt, bis ich nicht mehr anders konnte, als Blut zu vergießen und zu zeigen, daß ich jemanden umbringen kann. Das ist der gleiche Vorgang.«
»Das ist wie das Ausprobieren eines Schwerts, nicht wahr?« sagte Nnanji. »Man biegt es, um zu sehen, ob es zurückfedert oder bricht.«
»Ja«, sagte Wallie überrascht. »Ein sehr guter Vergleich!«
»Und trotzdem«, fügte Nnanji beharrlich hinzu, »selbst wenn die Götter all dieses geplant haben …«
Sein Gewissen machte ihm immer noch zu schaffen.
»Wir haben keine Verbrechen begangen, keiner von uns beiden. Die Tempelwache war eine Bande von Gaunern. Imperkanni hat uns freigesprochen. Seid Ihr mit seinem Urteil einverstanden, Alter?«
»O ja! Ganz eindeutig seid Ihr gezwungen worden«, sagte Honakura. »Die Götter haben Euch beide ausgewählt und …«
»Uns beide?« unterbrach ihn Nnanji.
Katanji machte Fortschritte. Er traf nicht auf Entgegenkommen, aber er stieß auch nicht auf Widerstand. In Katanjis persönlicher Welt, so hatte es den Anschein, war alles, das nicht gegen ihn war, für ihn, und offensichtlich war dies ein Neuling, der von der Wilden Ani keinen Nachhilfeunterricht brauchte.
»Wenn Ihr wollt, Adept Nnanji«, sagte Wallie, »dann könnt Ihr mir den zweiten Eid leisten. Und ich hoffe sehr, Ihr wollt es, denn ich wäre stolz, Euch wieder zum Schützling zu haben, und dann gibt es noch einen anderen Eid, durch den ich mich mit Euch verbinden möchte.«
»Den Bluteid? Selbstverständlich, mein Lord!« sagte Nnanji eifrig.
»Niemals!« entgegnete Wallie. »In meinen Augen ist dieser Eid ein Vergehen, selbst wenn die Göttin die Sutras verfaßt hat. Ich habe für die nächsten beiden Leben genug vom dritten Eid. Nein, ich spreche vom vierten Eid.«
Nnanji machte ein mißtrauisches Gesicht. »Ich habe nie von einem vierten Eid gehört!«
Honakura hatte immer behauptet, nichts von Schwertkämpfereiden zu verstehen, doch er versuchte jetzt neugierig, Wallie in dem Dämmerlicht anzusehen.
»Das kannst du auch gar nicht«, sagte Wallie. »Erstens ist es im Sutra elf vierundvierzig enthalten …«
»Ach so!« sagte Nnanji.
»Im letzten Sutra. Nur ein Anwärter auf die Siebte Stufe erfährt davon, es sei denn, ein Siebentstufler klärt ihn absichtlich darüber auf, so wie ich dich darüber aufklären werde. Und zweitens unterliegt er gewissen Einschränkungen …«
»Oh!« entfuhr es Nnanji.
»Doch wir beide erfüllen die Voraussetzungen, du und ich. Er kann nur von solchen Männern geleistet werden, die sich gegenseitig das Leben gerettet haben, und das wiederum kann nur in einer Schlacht geschehen, nicht in einer Auseinandersetzung um die Ehre. Ich
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