0124 - Die Mörder-Blumen
Es lag in einem schmalbrüstigen Haus, das bestimmt schon seine 50 Jahre auf dem Buckel hatte. Links neben der Eingangstür befand sich das Schaufenster des Ladens. Dort standen einige bunte Plastikeimer, aus denen ein paar traurige Blumen schauten. Mit der Blumenkraft schien es also nicht weit her zu sein. Aber Jessica wollte nun mal zu ihrer Freundin nicht ohne Blumen kommen, und sie hatte vergessen, sie in der City zu kaufen.
Man beobachtete sie aus den offenen Fenstern.
Klar, sie und ihr Wagen wirkten hier wie zwei Goldfische unter Karpfen. Ein Schauer glitt über ihren Rücken, als sie die Gesichter der Menschen sah. Wie Masken wirkten sie. Stumm und einfallslos.
Jessica nahm sich vor, so rasch wie möglich wieder zu verschwinden. Das war keine Gegend für das braunhaarige Luxus-Girl.
Vor der Tür blieb sie eine Sekunde stehen. In der oberen Hälfte hatte die Tür eine Scheibe. Jessica konnte in den Laden hineinschauen. Sie sah einen Mann im grauen Kittel. Allerdings nur undeutlich, da ihr der auf der Scheibe klebende Schmutz einen großen Teil der Sicht nahm.
Noch einmal atmete sie tief durch, ignorierte eine innere Stimme, die sie warnte, den Laden zu betreten, und öffnete.
Eine Glocke schlug an.
Die Melodie schwang durch den Raum.
Big-Ben-Glockenschlag, wie konnte es auch anders sein. Auf jeden Fall wurde der Mann im Kittel aufmerksam. Er erhob sich aus seiner gebückten Haltung und schaute sich um.
Jessica schloß die Tür. Ihre Blicke tasteten durch den Raum, und dabei fiel ihr zuerst der fast schon widerlich zu nennende Blütenduft auf, der die Luft des Geschäftes schwängerte.
Nein, so roch es normalerweise nicht in einem Blumenladen. In anderen Läden war der Geruch frischer, aber hier stank es regelrecht. Nach alten fauligen Blumen.
Wie auf einem Friedhof…
Ja, genau. Jessica erinnerte sich. Neulich erst hatte sie an einer Beerdigung teilgenommen. Auf dem Weg zum Grab waren sie an einem Komposthaufen vorbeigekommen. Dort hatte es ebenfalls so gerochen.
Sie rümpfte die Nase.
Der Mann aber kam näher.
Er schälte sich aus dem Halbdunkel des Hindergrundes, passierte die Vasen und Gefäße, in denen seine zum Verkauf angebotenen Blumen standen. Jessica sah Rosen, Veilchen, Gladiolen, Iris, Glockenblumen und sogar Tulpen.
Einige bekam man kaum in dieser Jahreszeit. Und wenn, dann nur zu höheren Preisen.
Drei Schritte von ihr führte eine schmale Wendeltreppe in die oberen Etagen. Daneben blieb der Mann stehen und legte seine linke Hand auf das Geländer.
»Guten Abend, Miß«, sagte er und deutete eine Verbeugung an.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte einen Blumenstrauß.«
»Sehr gut, sehr gut. Hatten Sie da an etwas Bestimmtes gedacht?«
Jessica biß sich auf die Lippe. Sie senkte die Lider, denn sie mochte den Mann nicht, vor allen Dingen nicht den Blick, mit dem er sie anstarrte.
Er war irgendwie lauernd, abschätzend…
Überhaupt war dieser Kerl ein Typ, den Jessica allein vom äußerlichen her schon ablehnte.
Er war kleiner als sie, ging gebeugt und hatte ein rundes Gesicht, dessen Haut an alten Teig erinnerte. Seine Haare waren schwarz.
Sie klebten auf dem Schädel, wo sie in der Mitte gescheitelt waren.
Die Hände mit den kurzen Stummelfingern wirkten ebenso abstoßend wie der ganze Kerl, und Jessica schüttelte sich.
Sie hatte im Laufe ihrer 23 Jahre zahlreiche Männer kennengelernt, aber selten solch einen widerlichen Typ gesehen. Nur schnell die Blumen aussuchen, und dann weg aus dem Laden.
»Sollen die Blumen für einen Mann oder eine Dame sein?« fragte der Graukittel.
»Für eine Dame.«
»Aha.« Er lächelte. Dabei zog er seine dicken Lippen auseinander, und Jessica sah den Speichel auf seinen Zähnen blitzen. »Ich heiße übrigens Grillo. Gabriel Grillo.«
»Jessica Parker!« Im nächsten Augenblick hätte sich das Girl selbst irgendwo hintreten können, weil sie so einfach ihren Namen gesagt hatte.
Was ging diesen Kerl überhaupt ihr Name an?
»Ein sehr schöner Name, Miß«, sagte Grillo. »Ein Name, der zu Ihnen paßt. Wie eine Blume. Ja, Sie sind wie eine Blume. So schön, so taufrisch, ich sollte wirklich ein Gewächs nach Ihnen benennen. Sie müssen wissen, daß ich ein bekannter Züchter bin. Meine Blumen sind überall angesehen, ich habe zahlreiche Preise errungen.«
Er lachte und wies in die Runde. »Nicht diese, die Sie hier sehen, schöne Frau. Nein, meine besonderen Freunde hebe ich woanders auf. Wissen Sie eigentlich, daß
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