Der zögernde Schwertkämpfer
Shonsu, Schwertkämpfer, ebenfalls auf der Siebten Stufe.« Seine Stimme entsprach seiner ganzen Erscheinung in ihrer Kraft. Wie ein entferntes Donnergrollen. Er hob eine Hand, um seine zerlumpte Kopfbedeckung abzunehmen, doch Honakura schüttelte den Kopf.
»Ihr sucht Hilfe bei der Göttin?«
»Ich bin von einem Dämon besessen, Heiligkeit.«
Das war eine Erklärung für diese Augen. »Dämonen können exorziert werden, doch im allgemeinen suchen sie keine Angehörigen der oberen Stufen auf«, sagte Honakura. »Seid so gut und erzählt mir darüber.«
Der furchtsame junge Mann erschauderte. »Er hat die Farbe von saurer Milch. Gelbe Haare wachsen ihm auf dem Bauch und den Gliedern und im Gesicht, doch keine auf dem Kopf, so, als ob ihm der Kopf verkehrt herum aufgesetzt wäre.«
Honakura erschauderte ebenfalls und machte das Zeichen der Göttin.
Der Schwertkämpfer fuhr fort: »Er hat keine Vorhaut.«
»Kennt Ihr seinen Namen?«
»O ja«, seufzte Shonsu. »Er plappert mir von abends bis morgens die Ohren voll, und neuerdings sogar auch während des Tages. Wenig von dem, was er sagt, ergibt einen Sinn, aber jedenfalls heißt er Walliesmith.«
»Walliesmith?« wiederholte Honakura zweifelnd.
»Walliesmith«, bestätigte der Schwertkämpfer in einem Ton, der jeden Zweifel ausräumte.
Kein einziger der siebenhundertundsiebenundsiebzig Dämonen trug diesen Namen – doch ein Dämon sprach natürlich niemals die Wahrheit, wenn man ihn nicht mit den richtigen Mitteln dazu brachte. Und obwohl im Sutra Dämonen der absonderlichsten und abscheulichsten Art aufgeführt waren, hatte Honakura noch niemals von einem so abartigen gehört, dem Haare im Gesicht wuchsen.
»Die Göttin wird ihn kennen, und er kann vertrieben werden«, sagte er. »Was bietet Ihr als Gegenleistung dafür an?«
Traurig senkte der junge Mann den Blick. »Mein Lord, mir ist nichts geblieben, das ich anbieten könnte, außer meiner Kraft und meinem Können.«
Ein Schwertkämpfer, der kein Wort über die Ehre verlor?
»Wie wäre es mit einem oder zwei Jahren Dienst in unserer Tempelwache?« schlug Honakura vor und ließ den anderen dabei nicht aus den Augen. »Ihr Oberster Anführer ist der unerschrockene Lord Hardduju der Siebten Stufe.«
Der Gesichtsausdruck des Schwertkämpfers war hart, und jetzt warf er dem Priester einen harten Blick zu. »Wie viele Siebentstufler braucht Ihr in der Tempelwache?« fragte er argwöhnisch. »Und welchen Eid müßte ich leisten?«
Honakura antwortete offen. »Ich bin nicht vertraut mit all den Eiden der Schwertkämpfer, mein Lord. Und jetzt, da Ihr danach fragt, erinnere ich mich nicht daran, daß es je mehrere Siebentstufler gleichzeitig in der Wache gegeben hätte, sondern immer nur einen einzigen, und ich bin hier schon über sechzig Jahre tätig.«
Eine Zeitlang musterten sie sich gegenseitig schweigend. Der Schwertkämpfer runzelte die Stirn. Während Männer seiner Sorte normalerweise wenig Hemmungen hatten, sich gegenseitig auszurotten, legten sie jedoch wenig Wert darauf, sich in dieser Hinsicht von Zivilisten gute Ratschläge anzuhören. Honakura beschloß, noch etwas offener zu sprechen.
»Es geschieht selten, daß ein hochrangiger Schwertkämpfer den Tempel besucht«, sagte er. »Seit zwei Jahren ist es kein einziges Mal mehr vorgekommen. Jetzt habe ich jedoch davon gehört, daß merkwürdigerweise gleich mehrere in Hann angekommen sind, die alle den Tempel als ihr Ziel angeben – mindestens ein Siebent- und einige Sechststufler.«
Die riesigen Hände des Schwertkämpfers ballten sich zu Fäusten. »Was schließt Ihr daraus?«
»Ich schließe gar nichts daraus!« beeilte sich Honakura zu versichern. »Ich weiß es nur vom Hörensagen. Sie hatten die Absicht, mit dem Fährboot überzusetzen und dann den langen Marsch durch die Wälder anzutreten. Wahrscheinlich hat sich ihr Sinn gewandelt. Einer schaffte es immerhin bis zu einer Pilgerherberge, doch dort ereilte ihn das Unglück, daß er verdorbenes Fleisch verzehrte. Da Ihr eine solche Seltenheit darstellt, seid Ihr um so willkommener, mein Lord.«
Ausgeprägte Muskeln bedeuteten nicht unbedingt geistige Einfalt – der junge Mann begriff den Sinn dieser Worte. Dunkle Zornesröte trat ihm auf die Wangen.
Er sah sich um, betrachtete die prunkvolle Fassade des Tempels und den ausgedehnten Hof darunter, gesäumt vom kiesbedeckten Ufer eines stillen Teichs; dann schweifte sein Blick weiter zum Fluß, der tosend und schäumend aus der
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