Der Zombie-Pharao
Zunge, Fischer. Strecke deine Zunge heraus.«
Hescon durchfuhr es heiß. Er stammte aus diesem Land, er kannte sich aus, und er wußte auch, wie die Menschen hier bestraft wurden. Es gab viele Arten der Bestrafung, zumeist waren sie schlimm. Zu den schlimmsten jedoch zählte das Herausschneiden der Zunge, und nichts anderes hatte der Bärtige vor.
Jemand reichte ihm einen sehr scharf geschliffenen Stein. Er war flach und handlich.
Ein Opfermesser!
»Raus mit der Zunge!«
Hescon würgte und spie, er wollte es nicht, doch mit der freien Hand griff der Fremde zu.
Seine Finger füllten den Mund des Mannes aus, dessen Kopf durch den harten Haargriff des nubischen Sklaven so stark nach hinten gezerrt wurde, daß glühende Schmerzwellen durch seinen Nacken rasten. Der Bärtige lachte dabei, als er nach der Zunge griff. Er hatte sandige Finger, die es tatsächlich schafften, die Zunge festzuhalten. Er zerrte sie so weit vor wie möglich.
Dann waren nur noch die Schmerzen da, die den Fischer durchtosten, bis sie von der gnädigen Bewußtlosigkeit abgelöst wurden…
***
Monate später!
Der Fischer hatte überlebt. Wie ein Tier war er durch die Wüste gekrochen, ein stummer Mensch, der sich nur lallend verständlich machen konnte.
Wen er einem Menschen begegnete, so liefen die Fremden vor ihm fort, und die Kinder bewarfen ihn mit Steinen. So hatte er sich manchmal nur knapp in Sicherheit bringen können. Frernährte sich durch Diebstähle, er leckte das Wasser von den Steinen ab, wenn die Nacht sich ihrem Ende entgegenneigte.
Dennoch hätte er nicht überleben können, wäre das Glück nicht auf seiner Seite gewesen.
Es waren die Fremde, die ihn fanden. Die Söhne der Wüste, dunkle Gestalten, eingehüllt in langen Gewändern, die sie vor den grellen Strahlen der Sonne schützten.
Sie saßen auf sehr großen Tieren mit zwei Höckern, und sie nahmen sich des Fremden an.
Der Fischer Hescon blieb bei ihnen und wurde von den Wüstensöhnen behandelt wie einer der ihren. Sie gaben ihm Wasser und Nahrung, sie schafften es, aus ihm einen Menschen zu machen, und sie störten sich nicht daran, daß er nicht sprechen konnte.
Im Gegenteil, denn es gab einen unter ihnen, der zu den Gelehrten gehörte.
Er hieß Ghem und erklärte dem Fischer, daß er des wissenschaftlichen Denkens kundig war und fragte ihn gleichzeitig, ob er sein Schüler werden wollte.
Hescon stimmte zu.
Schon am nächsten Tag begann die Lehre. Chem zeigte viel Geduld mit ihm, was sich auszahlte, denn Hescon wurde zu einem sehr gelehrigen Schüler. Er lernte viel über die Natur, er konnte schließlich den Himmel lesen, sich anhand der Sterne orientieren, und er lernte auch die alte Schrift der Ägypter, die nur wenige Eingeweihten bekannt war. Nach mehr als zwei Jahren starb sein Lehrmeister, und seine Nachfolge übernahm Hescon.
Die Söhne der Wüste akzeptierten ihn, so unterrichtete er die jüngeren Männer.
Sein eigenes Schicksal aber hatte er nicht vergessen. All seine Erlebnisse schrieb er auf einen Papyrus und verbarg ihn in der Nähe des Ortes, wo ihm damals die Zunge herausgeschnitten worden war. Den genauen Grund, weshalb er das tat, konnte er nicht sagen. Er handelte aus einem Gefühl heraus, das ihm sagte, der Nachwelt etwas schuldig zu sein.
Sehr oft hatte er sich mit dem Erscheinen des goldenen Pharaos beschäftigt und war davon ausgegangen, daß so etwas wie er unsterblich war. Ja, man mußte die Menschen warnen. Die Jahre vergingen.
Hescon wurde alt. Es kam der Tag, an dem er das Herannahen des Todes spürte.
In einem einsamen Wüstenlager und unter freiem Himmel, damit erzürn leztenmal das Licht der Gestirne sehen konnte, legte er sich zur letzten Ruhe nieder, umgeben von seinen Freunden.
Bevor er starb, schrieb er ihnen etwas auf. Es gibt ein Geheimnis, daß ich mit in die Schattenwelt nehmen werde. Ich kann euch nicht sagen, um welches Geheimnis es sich dreht, doch eines ist sicher. Eine Warnung möchte ich euch sagen. Hütet euch vor dem goldenen Pharao, vor dem Ghoul, der sich von den Toten ernährt!
Sie hatten seine Schrift gesehen, aber sie begriffen ihn nicht. Einer der Alten träufelte noch Wasser in seinen Mund, um die Lebensgeister zu erwecken.
Es hatte keinen Sinn mehr. Der ehemalige Fischer Hescon war bereits den langen Weg in die Welt der Schatten gegangen. Dort, wo er gestorben war, bekam er auch sein Grab. Er war ein stummer Mensch gewesen und trotzdem einer der großen Mahner und Warner, was sich erst
Weitere Kostenlose Bücher