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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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weit bekommen, du und mein Bruder.«
    Seufzend stützte er sich auf seine Arme auf und betrachtete sie. Ihr schmales Gesicht war wie stets von der Sonne gebräunt, und ein feines Netz von Fältchen umzog ihre Augen. Aber die Entschlossenheit in ihrem Blick war noch dieselbe wie vor zwanzig Jahren.
    »Es war nicht besonders schlau, sich in die Schwester des Voivoden der Wlachaken zu verlieben. Besonders nicht für mich als den Marczeg.«
    »Du hättest auf mich hören sollen«, erwiderte sie und küsste langsam erst seinen Hals und dann seine Lippen. »Eine masridische Frau finden«, flüsterte sie in sein Ohr. »Legitime Nachkommen zeugen, die Linie erhalten.«
    »Ach, die Dîmmiden werden nicht untergehen. Es gibt genug Zweige der Familie, die nichts dagegen haben, dass ich ohne Thronerben sterbe. Und es gibt schließlich Ana. Ich wollte immer nur eine Frau an meiner Seite. Und wenn mir dies nicht zugestanden wird, dann nehme ich keine.«
    »Im Trotz stehen sich unsere Familien in nichts nach«, lachte sie. »Was würde dein Vater dazu sagen?«
    »Mein Vater würde mir die Ohren lang ziehen. Aber dafür bin ich zu alt. Nicht mehr lang, und ich werde fünfzig Sommer gesehen haben. Alt genug, um eigene Fehler zu machen, findest du nicht?«
    »Du hältst mich also für einen Fehler?«
    Mit gespielter Entrüstung blickte sie ihn an.

    »Nicht alles an dir, nur, dass du eine Wlachakin bist … Moment!«
    Gerade als sie über ihn herfallen wollte, richtete er sich auf.
    »Was ist?«
    »Szeg. Er hat im Stall gegen die Wand getreten.«
    Sein Puls beschleunigte sich, auch wenn Flores ihn verständnislos anblickte.
    »Und?«
    »Er würde das nicht einfach so tun.«
    »Herrje, Masriden und ihre Pferde«, spottete Flores, aber er sprang aus dem Bett und fischte seine Hose aus dem unordentlichen Kleiderhaufen am Boden.
    »Er warnt mich«, erklärte Tamár kurz angebunden und stieg in die Stiefel. Als er sich den Waffengurt um die Hüfte band, erkannte Flores, dass es ihm ernst war.
    »Warnen? Wovor?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Tamár, während er sich den Brustharnisch umschnallte. Anders als Flores’ Rüstung war die seine aus Metall, beste Zwergenarbeit, geschmiedet für einen berittenen Krieger der Masriden. Während er die Armschienen anlegte, zog Flores die Gurte seines Harnisches fest.
    Das Metall, dessen kühle Ränder seine Haut berührten, wo der gesteppte Waffenrock endete, wirkte beruhigend auf ihn. In seinem Leben hatte er oft derart gerüstet Feinden gegenübertreten müssen. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass sich auch Flores zu rüsten begann. Was auch immer draußen in der Dunkelheit lauerte, sie war an seiner Seite.
    In diesem Moment gab es einen dumpfen Schlag aus dem Stall, dann herrschte Stille.

4
    W ie immer war es eine Quälerei, ihre Haare zu kämmen. Und wie jedes Mal fragte sie sich im Stillen, warum sie nicht das dunkle, glatte Haar ihrer Mutter geerbt hatte, sondern die unbändigen, roten Locken ihres Vaters. Noch dazu waren es nicht die lang fließenden, wie gegossen aussehenden Wellen, mit denen einige ihrer Schwestern gesegnet waren, sondern kleine, sich stets verknotende, widerspenstige Locken, deren Entwirrung mit Bürste und Kamm sie beinahe schon fürchtete. Doch während sich ihre Zofe Voica mit Eifer an die Arbeit machte, verzog Artaynis keine Miene, auch wenn ihre Kopfhaut noch so schmerzte. Jetzt hatte die junge Dyrierin zwei Gründe, um ihrem Vater übel gesonnen zu sein; einmal das unsägliche Haar, zum anderen, dass man sie an diesen Ort geschickt hatte, wo selbst die Zofen brutal waren.
    »Ihr habt so schönes Haar«, schnatterte das Mädchen, was Artaynis ein Schnauben entlockte. »Ja, und das Wetter in Wlachkis gleicht dem ewigen Frühling«, murmelte sie.
    Durch die geöffneten Fenster kam warme Luft in den Raum, und von unten wehte ein appetitanregender Duft von frisch gebackenem Brot mit. Diffuse Rufe waren zu hören, Lachen. Die Aufregung war in der ganzen Stadt spürbar, doch vor allem hier in der Burg konzentrierte sich das ganze Leben nur noch auf das anstehende Fest. Alle schienen von dem Gedanken an die Festlichkeiten geradezu beseelt zu sein; mit Ausnahme von Artaynis, der die Vorstellung von einem Bankett im zugigen Festsaal der Feste Remis eher Grauen bereitete.

    Endlich war die Zofe mit den Haaren fertig und begann, Artaynis das Gewand anzulegen. Aber schon nach wenigen Handgriffen wurde sie nervös, fingerte an den Falten herum, zupfte am Stoff und wusste

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