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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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trat vor sie und umfasste mit einer ausladenden Geste den gesamten Vorsaal. »Hier in Wlachkis ist Eure Schönheit ohnegleichen.«
    Sie verzog die Lippen zu einem Schmollmund. »Ihr wollt sagen, dass ich außerhalb Eures Landes weniger bezaubernd bin?«
    Ihre Frage schien ihn zu überraschen, denn er überlegte einige Momente, bevor er vorsichtiger antwortete: »Eure Schönheit steht an jedem Ort außer Zweifel. Doch ich muss gestehen, dass Ihr in meiner Heimat mein Herz noch zielgenauer trefft, als es jenseits der Berge möglich wäre.«
    »Ach, Ihr sagt das nur, weil Ihr Euch nach Dyrien sehnt. Nicht ich bin es, die Euch bezaubert, sondern das Abbild des Goldenen Imperiums, das Ihr in mir seht.«
    »Nein … ich …«, protestierte er, aber sie ließ ihn nicht lange zappeln, sondern neigte sich vor und flüsterte: »Es ist wirklich schön, dich zu sehen.«
    Erleichtert nahm er den ihm dargebotenen Arm und umfasste ihr Handgelenk mit festem Griff. Obgleich sie ihn im kleinen Spiel der Worte ausmanövriert hatte, beherrschte er die dyrischen Höflichkeiten sehr gut.
    »Du bist bezaubernd, auch wenn meinem plappernden Mund die Worte fehlen, dich angemessen zu preisen.«
    Jetzt musste sie tatsächlich lächeln, was er mit einem dankbaren Nicken zur Kenntnis nahm. Ob er seiner Mutter gleicht?, dachte sie plötzlich. Artaynis hatte es verwundert, zu erfahren, dass Şten nach dem Tod seiner Frau nicht wieder geheiratet hatte. Ihr eigener Vater hatte vier Frauen und zehn Kinder; sie konnte sich nur schwer vorstellen, wie es gewesen wäre, mit nur einem Geschwisterkind aufzuwachsen. Anders als Natiole ähnelte Ionnis seinem Vater kaum. Er trug das dunkle Haar kurz geschnitten, seine Augen waren heller und seine Züge schmaler.
    »Magst du mir einige der Bilder erläutern?«, bat sie Ionnis. Sein Griff war angenehm, und sie genoss seine Nähe,
als er sie zu dem großen Mosaik führte, das über der Tür zum großen Saal prangte.
    »Das ist der neueste Wandschmuck und sicherlich auch der wichtigste an diesem Tag, denn dort oben wird gezeigt, wie meine Tante, ich meine, wie Ionna cal Sareš gegen Zorpad Dîmminu in die Trollschlacht zieht und ihn schließlich bezwingt. Das da ist Zorpad, wie er von Ionna niedergestreckt wird.«
    Mit dem Finger wies Ionnis auf eine Zweiergruppe in der Mitte des Bildes, einen gerüsteten Mann und eine Frau zu Pferd, die gegeneinander kämpften, wobei die Frau ihren Feind gerade bezwang. Ionnis deutete auf eine kleine Gruppe von seltsamen Wesen, welche die Menschen auf dem Mosaik um das doppelte überragten. Sie waren massig und breit dargestellt, aus grauem Stein und mit furchterregenden Hörnern auf dem Schädel.
    »Das sind die Trolle, die an unserer Seite kämpften. Mein Vater und meine Mutter sind ebenfalls auf dem Bild zu erkennen, aber der Triumph der Trollschlacht gehörte Ionna.«
    Das Mosaik war kunstvoll gefertigt. Artaynis wusste, dass manche Potentaten ihrer Heimat Wlachaken beschäftigten, um ihre Heime mit solchem Wandschmuck zu verzieren. Eigentlich waren Handwerk und Kunst aus Wlachkis eher als hinterwäldlerisch verpönt, doch Mosaiken bildeten die Ausnahme.
    »Lange war Ionna der Frieden nicht vergönnt, oder?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort natürlich kannte. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie nicht nur die Sprache des Landes, sondern auch seine Geschichte lernte, bevor er sie hierhergeschickt hatte. Vor allem die jüngere Geschichte, in der er selbst eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatte.
    »Ein Jahr.«
    Schweigend schauten sie einen Augenblick das Bild an,
dann ließ sie ihren Blick vorsichtig zu dem jungen Mann an ihrer Seite wandern. Seit ihrer Ankunft in Teremi war Ionnis für sie sehr wichtig geworden. Seine Zeit im Imperium hatte ihn geprägt; sie hatten sich dort bereits kennengelernt, wenn sie sich auch weniger nahegestanden hatten als hier. Er verstand sie besser als die anderen Wlachaken, und er redete gern über die Welt jenseits der Sorkaten. Anders als einige andere Angehörige des Hofes.
    »Wo ist eigentlich dein Bruder?«, fragte sie schließlich.
    Bei dieser Frage verfinsterte sich sogleich sein Gesicht. »Er kommt sicherlich sofort. Er musste sich noch umkleiden.«
    In diesem Moment schlug Şten zwei Metallbecher gegeneinander und zog so alle Blicke auf sich.
    »Man sagte mir gerade, dass unser Bankett bereitet ist. Folgt mir bitte in die Halle!«
    Überraschend leise öffneten sich die großen Türflügel und gaben den Blick in den

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