Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
als sie errichtet wurde. Anders als im Imperium, wo in jedem noch so zweckgebundenen Gebäude der Reichtum und das Ansehen der Besitzer zu erkennen sein mussten: In den Festungen des Imperiums sollte sich die Glorie des Goldenen Imperators in aller Pracht zeigen.
Immerhin hatten die Wlachaken versucht, ihr Gemäuer zumindest für die Festlichkeiten zu schmücken. Der Wohntrakt war so wenig anheimelnd wie immer, doch im Vorsaal hatte man unzählige Kerzen auf mannshohen Ständern aufgestellt. Dazwischen gab es immer wieder flache Wasserschalen, in denen Blütenblätter trieben und ein angenehmes Aroma verbreiteten. Die plumpen Säulen waren mit bunten Tüchern umwickelt, und die Farben der Fresken an den Wänden waren aufgefrischt worden. Mit dem Prunk eines dyrischen Palastes konnte die Festung auch derart herausgeputzt nicht konkurrieren, doch Artaynis fand den Versuch zumindest ehrenwert.
Im Saal bewegten sich bereits die ersten Gäste, fanden sich in kleinen Grüppchen zusammen und redeten leise miteinander. Artaynis sah Männer und Frauen in der Tracht des Landes, mit langen Umhängen über einfachen Wämsern. Die Farben waren hauptsächlich dunkel und erdig, doch hier und da stach ein farbenprächtiges Stück Stoff hervor.
Ihr Erscheinen ließ die Stimmen verstummen und lenkte alle Blicke auf sie. Unbeeindruckt hob Artaynis das Kinn und schritt würdevoll zum Gastgeber, der an der Tür zum großen Saal stand. Şten cal Dabrân überragte sie um gut anderthalb Köpfe, doch sein offenes Lächeln ließ ihn nicht einschüchternd wirken. Der Voivode war trotz seines fortschreitenden Alters noch immer sehr schlank. Anders als Papa, dachte sie mit einem Anflug von Bosheit. Ştens langes dunkles Haar, das er zu einem Zopf gebunden hatte, war nur an den Schläfen grau. Er trug ein einfaches Gewand aus grauem Stoff, über das ein schlichter Überwurf mit dem Raben seines Hauses drapiert war. Natürlich hatte er ein Schwert an der Seite; viele der Anwesenden waren derart bewaffnet. Bei ihrer Ankunft hatte es Artaynis überrascht und konsterniert, dass sie dauernd von Bewaffneten umgeben war, doch es war in Wlachkis ein Brauch, der selbst an einem freudigen Tag wie diesem befolgt wurde. Als Şten sie erblickte, wurde sein Lächeln noch breiter, die Fältchen um seine Augen tiefer.
»Welch ein Glanz in unserem Haus«, erklärte er und breitete die Arme aus. Vorsichtig trat die junge Dyrierin näher und ließ sich umarmen. Obwohl man Şten die Jahrzehnte als Krieger ansah, war seine Umarmung sanft.
»Euer Vater muss sehr stolz auf Euch sein, Artaynis.«
Anders als andere Wlachaken hatte er keine Probleme mit der Aussprache ihres Namens. Höflich senkte sie den Blick.
»Ihr seid zu gütig.«
»Keineswegs«, erwiderte er lachend. »Ich bin nur ehrlich.«
»Die Festlichkeiten werden bald beginnen?«
»Es dauert noch etwas. Die Vorbereitungen in der Halle sind noch nicht abgeschlossen, und es sind noch nicht alle Gäste eingetroffen. Aber dort drüben gibt es Erfrischungen, um die Wartezeit zu verkürzen.«
Lächelnd nickte Artaynis und trat dann zurück, um Şten einen weiteren Gast begrüßen zu lassen. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie den Voivoden, der sich für jeden Neuankömmling Zeit nahm und einige Worte mit ihm wechselte. Anders als die Herrscher in ihrer Heimat mischte er sich unter sein Volk, schien zu jedem etwas zu sagen zu haben und blieb dabei stets freundlich. Die Männer und Frauen in seiner Nähe waren angespannt, aber nicht furchtsam, wie Artaynis interessiert feststellte. Sie suchen seine Gunst und seine Aufmerksamkeit. Aber nicht nur zu ihrem Vorteil, sondern weil sie ihn wirklich verehren. Und er zollt ihnen ebenso Respekt mit seinen Worten und Gesten. Das Spiel war weniger subtil, als sie es gewohnt war, und auch die Regeln waren verschieden. Aber sie konnte es dennoch erkennen und schätzen.
Unglücklicherweise hatte sie es versäumt, sich eine Begleitung für das Fest zu besorgen, also musste sie allein zu dem breiten Tisch gehen, auf dem Pokale und Karaffen standen. Ein hilfsbereiter Diener reichte ihr verdünnten Weißwein, in den sie noch mehr Wasser gießen ließ. Es würde noch einige Zeit dauern, bis das Essen aufgetischt wurde, und sie wollte dem Alkohol nicht zu sehr zusprechen.
»Ihr seht bezaubernd aus«, ertönte hinter ihr eine sanfte Stimme.
»Ionnis«, erwiderte sie augenblicklich, ohne sich umwenden zu müssen, und nahm einen Schluck Wein. »Ihr schmeichelt mir.«
Er
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