Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Finsternis seinen Weg finden, was den meisten Trollen der alten Stämme trotz ihrer scharfen Sinne schwerfiel. Dennoch zog er das Licht vor.
Auf ihrem Weg an die Oberfläche führte Kerr die kleine Gruppe an. Nicht nur, weil er diesen Weg schon häufig beschritten hatte, sondern weil es unter ihnen niemanden gab, der mehr über die Unterwelt wusste. Damals, vor vielen Dreeg und in der Gegenwart des Dunkelgeistes, war Kerr das Land geworden, von den höchsten Gipfeln der
Berge bis zu den tiefsten Gängen, und dieses Wissen hatte sich in seinen Geist gegraben. Er kannte jeden Gang, jede Höhle, so wie er seinen Leib kannte, die Narben und Knoten auf seiner Haut. Dieses Wissen hatte die Trolle mehr als einmal vor ihren Feinden gerettet und ihnen überhaupt erst erlaubt, den Pakt mit Andas Kindern zu schließen.
Jetzt führte er sie auf Pfaden zur Oberfläche, die abseits der Zwergentunnel lagen, wo das Kleine Volk mit seinen Werkzeugen die Welt unter der Welt ruhelos erweiterte.
Beinahe unmerklich wurde die Luft kühler. Für Kerr war dies ein gutes Zeichen: sie näherten sich der Oberfläche.
Die Gebeine der Welt reichten tief hinab, aber Form und Farben des Felsens waren häufig sehr unterschiedlich. Viele Trolle konnten allein an ihrer Umgebung erkennen, wo und wie tief sie sich befanden. Kerr hatte einen Weg gewählt, der sie durch größere Gänge führte. Es gab unendlich viele kleine Ritzen und Schlupflöcher. Für jeden Tunnel, durch den ein Troll gehen konnte, schien es Dutzende zu geben, die zu klein waren.
Nachdem sie durch einen flachen Teich gewatet waren, wurden die Gänge verzwickter. Der Fels war hier heller, verlief in Schichten, und manchmal glitzerte er im Dämmerlicht. Ein kurzes Stück mussten sie wieder etwas hinabsteigen, bis ihr Weg sie wieder näher an die Oberfläche führte. Ganz in Gedanken versunken, schritt Kerr voran, bis Wrag unvermittelt vor ihnen aus der Dunkelheit trat. Es war, als würden Fetzen der Schatten an ihm kleben und ihn nur unwillig freigeben.
»Ich spüre etwas vor uns«, verkündete Andas Kind murmelnd. Unbewusst öffnete sich Kerr dem Herzschlag, ließ seine Sinne frei. Als der Dreeg kam, nahm der Troll alles um sich herum in sich auf. Es war wie ein Bild gemalt aus Tönen, kaum greifbarer als ein Gefühl und doch absolut wirklich. Fels und Stein gaben ihm ihre Geheimnisse preis, er spürte den Verlauf von Gängen, ja von den kleinsten
Ritzen. Nichts konnte sich vor seinem Geistauge verbergen. Und vor ihnen spürte er ihre Präsenz, ein Dutzend, die langsam durch die Tunnel schritten.
»Zwerge«, flüsterte er, was Zran kaum hörbar fluchen ließ.
»Wie viele?«
»Etwa drei Hände. Sie bewegen sich nicht schnell. Es ist keine Jagd.«
»Noch nicht«, knurrte Wrag. Für einen Augenblick runzelte Kerr die Stirn, weil er sich fragte, was mit diesen Worten gemeint war, doch dann sah er Wrags entblößte Hauer im fahlen Licht schimmern.
»Wir können sie umgehen«, erklärte Kerr fest, aber Wrag schüttelte den Kopf.
»Wir töten sie, wo wir sie finden. Wir oder sie, Kerr. Das weißt du.«
Die Jagdlust schwang jetzt in Wrags Stimme mit, und Kerr spürte, wie sie auch in seinem Blut aufstieg und seinen Herzschlag beschleunigte. Fragend blickte er Zran an.
»Wir sind drei, und wir wissen nicht, was sie hier wollen. Es wäre schlauer, sie zu umgehen«, gab der große Troll zu bedenken, zuckte dann aber mit den Schultern. »Aber er hat recht. Wir oder sie.«
Einige Momente lang überlegte Kerr. Der Krieg zwischen Trollen und Zwergen war so alt wie die Welt selbst. Zumindest konnte sich kein Troll an eine Zeit erinnern, in der er nicht bestanden hatte. Aus ihren Bingen drangen die Zwerge immer weiter in die Tiefen der Welt vor, und die Trolle hielten sie dort auf, wo sie konnten. Methodisch schufen die Zwerge neue Tunnel und Hallen, legten Stollen an und bauten das ab, was sie für die Schätze des Steins hielten.
Immer wieder war es zu Kämpfen gekommen, und keine Seite kannte in diesem endlosen, dunklen Krieg Gnade. Es war noch nicht lange her, dass die Zwerge die Trolle tiefer
und tiefer hinuntergetrieben hatten. In ihrer Heimtücke hatten sie mit den Menschen paktiert und die verderbte Sonnenmagie einiger Oberweltbewohner genutzt, um die Gebeine der Welt selbst zu erschüttern und Trolle unter Einstürzen zu begraben, sie mit flüssigem, kochendem Gestein zu töten und ihnen jede Heimat zu nehmen.
Damals waren fünf Trolle an die Oberfläche gestiegen und hatten
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