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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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schon so viele Geschichten gehört hatte. Der beste Freund des Voivoden, ein furchtloser Kämpfer, sorgloser Raufbold und großer Zecher, der schließlich gestorben war, als er gemeinsam mit Şten und einem Haufen Trolle Viçinia und eine Handvoll weiterer wlachkischer Geiseln aus Zorpads Hand befreite, und der in einem einsamen Grab am Ufer des Magy ruhte. Für den jungen Natiole war der Name eine Last, die stets in die Waagschale geworfen wurde, wenn es darum ging, ihn selbst zu beschreiben. Reicht es nicht aus, dass alle Welt mich ständig mit meinem Vater vergleicht?, dachte er trotzig . Ich bin ich, lebendig; kein Schatten von jenseits des Grabes.

    Bei den meisten Gesprächen konnte Natiole natürlich nicht mitreden, sich nicht einmal wirklich vorstellen, dass Teremi einst eine besetzte Stadt in der Hand der Masriden gewesen war. Er konnte sich an kein anderes Zuhause als an die Feste Remis erinnern, obwohl er im Mardew geboren worden war.
    Şten hatte die Stimme unterdessen leicht erhoben, er sprach jetzt von Viçinia: »Ich habe meinen Augen kaum geglaubt, als ich sie dort unten in den Höhlen wiedergesehen habe, umringt von einem ganzen Trollstamm«, erzählte er eine weitere Geschichte, die schon beinahe zur Legende geworden war, und seine Augen suchten dabei den Blick seines Sohnes. »Ich glaube, sie hat nie daran gezweifelt, dass wir den Weg zurück finden würden. Während mich diese dreimal verfluchte Unterwelt und die dickschädeligen Trolle beinahe in den Wahnsinn getrieben hätten.«
    Das wehmütige Lächeln seines Vaters versetzte Natiole einen Stich ins Herz.
    Als sich das Festessen endlich dem Ende zuneigte, erhob er sich schnell und stellte sich etwas abseits. Von dieser Position aus konnte er das Treiben beobachten, ohne selbst ein Teil davon zu sein. Sein Vater schien seinen Rückzug nicht einmal zu bemerken; stattdessen mischte er sich unter die Gäste.
    Auch Ionnis schritt von einer Gruppe zur nächsten, immer in perfekter Haltung und mit einem freundlichen Wort auf den Lippen. Eine Zeit lang beobachtete Natiole seinen jüngeren Bruder, dann fiel sein Blick auf ihren Gast aus dem Dyrischen Imperium, und er bemerkte, dass Artaynis ihn ebenfalls zu beobachten schien. Zwar senkte sie den Blick, aber er war sich sicher, dass sie ihn zuvor geradezu angestarrt hatte. Bislang hatte er sich kaum Gedanken über sie gemacht. Seit die Beziehungen zum Imperium sich gebessert hatten, waren immer wieder einmal Gesandte oder Händler bei Hofe, wenn denn die Pässe dies zuließen: viel
wirksamer als jeder kulturelle Unterschied trennten die Berge Wlachkis vom Goldenen Imperium.
    Ionnis macht sich wieder einmal zum Narren, indem er um die aufgeputzte Dyrierin herumschleicht wie ein verliebter Kater, dachte Natiole zornig. Dyrische Kleider, dyrische Sitten, da käme ihm eine dyrische Liebschaft doch bestimmt ganz recht. Heißt es nicht überall in Teremi, dass der jüngere Prinz des Hauses cal Sare ş so viel Erfolg bei den Frauen habe?
    »Sie ist sehr hübsch, findest du nicht?«, ertönte plötzlich die Stimme seines Vaters neben ihm. In Gedanken versunken, hatte Natiole nicht bemerkt, dass Şten sich zu ihm gesellt hatte.
    »Zu sehr mit dyrischem Gold behängt, wenn du mich fragst«, entgegnete er düster.
    Das entlockte Şten ein Lachen. »Wenn ich Sargans Tochter nicht völlig falsch einschätze, ist unter all dem vielen kostbaren Stoff noch mindestens ein Dolch verborgen.«
    »Vielleicht solltest du dann Ionnis lieber vor ihr warnen. Ich denke, er ist nicht sehr weit davon entfernt, herauszufinden, was sie unter ihren Kleidern trägt.«
    Ştens Züge verfinsterten sich, als er den wütenden Ton in Natioles Stimme hörte. »Dein Bruder kümmert sich um das Wohlergehen unseres Gastes, Nati. Das kannst du ihm kaum vorwerfen.«
    »Nenn mich Natiole, Vater. Bitte. Und ich kann ihm sehr wohl vorwerfen, dass er sich wie ein Lakai der Dyrier benimmt.«
    Şten stieß angespannt den Atem aus und sah seinen Sohn fest an. »Also gut: Natiole. Der heutige Abend ist wichtig für die Wlachaken, wie du sehr wohl weißt. Ein Abend, an dem wir daran denken, welchen langen Weg wir schon zurückgelegt haben. Und welche Opfer wir dafür bringen mussten. Verdirb ihn nicht durch einen neuen Zwist mit deinem Bruder. Ich bitte dich.«

    Also hat er sehr wohl bemerkt, dass wir vorhin gestritten haben. Und warum ist er jetzt nicht dabei, Ionnis zurechtzuweisen? Einen Augenblick lang war Natiole versucht, seinem Vater eine scharfe

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