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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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junge Dyrierin Voica und ihren Mihales. Also hat alles für die beiden ein gutes Ende genommen, dachte sie zufrieden.
    Dann ließ sie den Blick zwischen dem neuen Voivoden und seinem Bruder wandern.
    Die beiden jungen Männer waren sich in den letzten Wochen und Monaten ein Stück weit ähnlicher geworden. Ionnis, der sein Haar nun nach Art der Wlachaken lang trug, und Natiole, der sich in seine neue Rolle viel besser eingefunden hatte, als sie es jemals vermutet hätte. Gerade sprach er mit einem alten Mann, dessen Tiraden er so geduldig ertrug, dass Artaynis meinte, ein Abbild Şten cal Dabrâns vor sich zu sehen. Ionnis stand gegen eine Säule gelehnt und folgte dem Lied des Barden mit geschlossenen Augen. Man hatte ihr berichtet, dass er während der großen Schlacht seine Truppen mitten unter die Feinde geführt hatte, dorthin, wo sein Vater gefallen war. Er hatte das Banner freigekämpft und wieder aufgenommen, und als die Wlachaken sahen, dass der Rabe wieder flog, hatten sie neue Hoffnung geschöpft und waren ihm ins dichteste Schlachtgetümmel gefolgt.
    Eine warme Welle des Stolzes wusch über sie hinweg, als sie ihn betrachtete, und ihre Hand tastete über das Päckchen, das noch immer eingewickelt in ihrer Tasche ruhte. Ionnis hatte gelacht, als er sah, dass sie es niemals geöffnet hatte. Aber es hatte ihr tatsächlich Glück gebracht, und nun hatte sie nicht mehr vor, es zu öffnen, solange sie sich nicht endgültig von ihm verabschieden musste.
    Als habe er ihren Blick bemerkt, sah Natiole zu ihr herüber. Er lächelte, sagte einen kurzen Satz zu dem Mann, mit dem er sich eben unterhalten hatte, stand auf und kam zu ihr.

    »Nun, Artaynis von den Vulpon – genießt Ihr das Fest?«, fragte er mit einem verschmitzten Grinsen. Sie sprachen sich schon lange nicht mehr in dieser Weise förmlich an, aber offenkundig gefiel es dem jungen Voivoden, sie aufzuziehen.
    »Gewiss. Ich hoffe allerdings, dass trotz so manch giftiger Blicke mein Wein nicht vergiftet ist«, gab sie leichthin zurück. Natürlich waren nicht alle Wlachaken von der Idee begeistert gewesen, wieder eine Dyrierin am Hof von Remis zu haben. Aber sie nahm die Ablehnung einzelner Adeliger gelassen hin; ihre Ausbildung hatte sie gut genug auch auf schwierige Diplomatie vorbereitet.
    »Vergiftete Becher und feige Mordpläne gehören hoffentlich der Vergangenheit an.«
    Ionnis hatte die Augen nun geöffnet und blickte zu ihnen hinüber. Er winkte und begann, sich durch die übrigen Gäste zu ihnen durchzuschlängeln.
    »Wenn du erst mit Ionnis in Désa lebst, werden die Leute schnell vergessen, dass du eigentlich eine fremde Spionin aus dem Imperium bist«, meinte Natiole, nun wieder in scherzhaftem Tonfall.
    »Solange ich meine Wurzeln unter euch Barbaren nicht vergesse, soll mir das durchaus recht sein.«
    Natiole lachte.
    »Wenn ein Wlachake kein Barbar ist, dann sicher Ionnis. Ich fürchte, du hast ihn ein für alle Mal verdorben.«
    Sie hob vorwurfsvoll eine Augenbraue: »Ein wenig mehr von dieser Verderbnis könnte auch dir und deinen ungewaschenen Kumpanen nicht schaden.«
    »Ich werde meinen Bruder vermissen«, gestand Natiole nach einer kurzen Pause, in der ihr Lachen verklang. »Ihr müsst oft hierher nach Teremi kommen.«
    Er sah sie lange an. Dann setzte er leise hinzu: »Denn dich werde ich auch vermissen.«
    Sie blickte ihn überrascht an. Doch bevor sie noch etwas
erwidern konnte, hatte Ionnis sie erreicht. Er legte einen Arm um ihre Taille.
    »Ich glaube, der Sänger ist am Ende angelangt«, sagte er. »Möchtest du tanzen?«

80
    Der doppelte Schlag des Herzens schwang in Kerrs Brust. Die Veränderung war für ihn in jedem Moment spürbar. Er nahm sie gelassen hin.
    Seine Wege führten ihn durch die Unterwelt, durch jene Grenzregionen zwischen den Gebieten der Trolle der alten Stämme und jenen von Andas Kindern, wo er selten jemand traf. Er wanderte ziellos, jagte, wenn er hungrig war, trank, wenn er durstig war. Alle Verantwortung war von ihm abgefallen, seit sie in ihre Heimat zurückgekehrt waren.
    Die Wlachaken und Masriden hatten die Trolle nach der Schlacht beschützt, bis die Sonne endgültig untergegangen war. Der Weiße Bär war zu diesem Zeitpunkt schon verschwunden, aber Kerr konnte seine neue Lebenskraft spüren. Was ihm, Kerr, trotz aller Anstrengungen nicht gelungen war, hatte Azot vollbracht: Der Weiße Bär war von seinen Wunden geheilt, und seine Zuversicht durchströmte alle Trolle, die der alten Stämme und

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