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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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er ein niedriges Haus mit breiter Front, hinter dessen milchigen Fensterscheiben noch Lichter brannten. Gemurmel drang aus dem Gebäude, übertönte fast die Geräusche des nahen Urwalds, in dem zu dieser nächtlichen Stunde allerlei fremdartiges Getier rief, schrie und kreischte. Ein Schrei war noch durchdringender als der Rest des Konzertes, hielt lange an und ließ Jaquento aufblicken. Er fragte sich unwillkürlich, ob die Geschichten über Feuerechsen und fliegende Schlangen, die man ihm auf der Reise erzählt hatte und die er stets lediglich als geschickt gesponnenes Garn abgetan hatte, doch wahr sein mochten, bevor er sich wieder dem Gebäude zuwandte. Ein grobes Holzschild mit zwei daraufgenagelten Affenpfoten hing über der Eingangstür, deren alte Bretter schief und verzogen waren.
    Auf dem Boden neben der Tür lag ein verendetes Tier, von Regen und Aasfressern dermaßen zugerichtet, dass man nicht mehr erkennen konnte, von welcher Art es wohl gewe sen sein mochte. Zwei große, schwarze Vögel balgten sich um den Kadaver; Raben, wie Jaquento mit Verwunderung feststellte. Haben die Schiffe sie mitgebracht, oder waren sie schon immer hier heimisch ? Als die Tiere ihn bemerkten, stoben sie
flügelschlagend auf und ließen sich auf den umliegenden Dächern nieder. Misstrauisch legten sie die Köpfe schief und beobachteten den Mann, der kurz zögerte, bevor er mit entschlossenen Schritten die Taverne betrat, wobei er sich ducken musste, da der Türsturz offenkundig nicht für einen Mann von seiner Größe gedacht war. Hinter ihm glitten die Raben lautlos zu ihrer Beute zurück.
     
    Im Inneren des Gasthauses erschien es ihm noch heißer zu sein, sofern dies überhaupt möglich war. Die stickige Luft schlug Jaquento entgegen und ließ ihn blinzeln. In einigen Ni schen standen Talglampen, deren rußiger Rauch sich unter der Decke in dicken Schwaden sammelte. Es roch nach Schweiß, nach gebratenem Fleisch, nach scharfem Alkohol und nach Urin, eine Mischung, die Jaquento an die Zeit erinnerte, die er während der Überfahrt gezwungenermaßen unter Deck verbracht hatte. Inzwischen hatte seine Nase sich an diese Ausdünstungen menschlicher Existenz auf engstem Raum gewöhnt. Die Wände waren mit allerlei Strandgut geschmückt, kleineren Wrackteilen von Schiffen, löchrigen Fischernetzen, einigen handtellergroßen Schildkrötenschuppen, alles Fundstücke, die die Wellen hier angespült haben mochten. Treibgut, das es in diese Kaschemme am Ende der Welt verschlagen hatte, ebenso wie Jaquento. Die Winde haben mich hierhergeweht, dachte der junge Mann, aber er wollte den Gedanken nicht weiter denken, wollte sich nicht eingestehen, was ein Teil von ihm längst wusste: Er hatte alles verloren – seine Heimat, seine Freunde, ja sogar seinen Na men, ohne die Möglichkeit, zu seinem früheren Leben je wieder zurückzukehren. Und ohne Wurzeln kann man dem Wind nichts entgegensetzen.
    Sein Eintreten blieb fast unbemerkt. Hier und da musterten ihn Augenpaare, doch die Mienen blieben unbeteiligt. Fremde
waren kein seltener Anblick. Einheimische mit goldbrauner Hautfarbe und rot verbrannte Seeleute saßen Seite an Seite, tranken, lachten und spielten. Eine Frau mit langem schwarzem Haar und einem auffälligen Goldschmuck, der Ohr und Nase verband, tanzte zu den Trommelschlägen eines kräftigen Mannes, dessen unbewegtes Gesicht mit den schräg stehenden Augen und den hohen Wangenknochen eher einer goldenen Maske glich.
    Die Taverne » Zwei Hände « war Jaquento vor allem als billig empfohlen worden, und auch die anderen Gäste schienen vorrangig diese Qualität zu schätzen. Zu dieser Stunde waren nur noch Halsabschneider und sonstiges lichtscheues Gesindel unterwegs; dazu die Matrosen, die jeden Augenblick an Land so gut wie möglich auszukosten versuchten.
    Unbewusst ballte Jaquento die Fäuste, während seine Züge keine Regung verrieten. Betont lässig schritt er zu der The ke, die lediglich aus zwei Bohlen bestand, die man auf drei Fässer genagelt hatte. Der Wirt, offenbar ein Mischling beider Welten, blickte nicht einmal auf, bis Jaquento sich räusperte und ihn ansprach: »Wein. Roten, Mesér, wenn es beliebt.«
    Der alte Mann hob eine Augenbraue, drehte sich wortlos um und stellte einen Tonkrug auf den Tresen.
    »Ein Silber.« Die Stimme des Mannes war hell, ein seltsamer Widerspruch zu seinem gegerbten Gesicht und den Narben, die seinen kahlen Schädel zierten. Ohne zu feilschen, griff Jaquento in die speckige

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