Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
um einen Anschlag auf Ionnis und alle anderen Bewohner der Feste gehandelt.
»Ohne die Warnung Eures Trolls hätte es noch viel schlimmer kommen können.«
»Ohne Kerr hätte ich vielleicht zwei Söhne verloren. Versteht Ihr jetzt, warum ich ihm unbedingt mein Vertrauen schenke? Ihr seht nur einen Troll, aber ich sehe einen Freund, der selbstlos sein Leben für das meine und das meiner Familie riskiert hat. Welcher Mensch hätte so gehandelt?«
Darauf wusste Cornel keine befriedigende Antwort, aber es widerstrebte ihm, eine Kreatur der Dunkelheit als Helden gelobt zu sehen. »Trotz allem sind sie gefährlich, auch wenn es offenkundig einige unter ihnen gibt, die verständiger als ihre Artgenossen sind. Aber ich will nicht predigen, Ihr kennt meine Meinung in dieser Angelegenheit und wisst um meine Bedenken.«
»Und ich nehme sie ernst, Cornel. Das könnt Ihr mir glauben. Ich weiß besser als jeder andere, was Trolle sind und wie gefährlich besonders die Tiefentrolle werden können. Es behagt mir nicht, einen von ihnen in der Feste zu haben. Aber das ändert meine Meinung über Kerr nicht.«
Ein Klopfen unterbrach ihr Gespräch. Auf einen Ruf von Şten hin öffnete sich die Tür, und Vintila humpelte in den Raum. Der alte Geistseher ging gebeugt und stützte sich schwer auf seinen Stock.
»Ah, Cornel. Sind Eure Gesänge schon vorbei?«
Nur mit Mühe konnte der Sonnenpriester einen grimmigen Gesichtsausdruck unterdrücken. »Allerdings. Wir preisen das Göttliche Licht bei Sonnenaufgang, wie Ihr bestimmt wisst.«
»Sicher, sicher«, erwiderte Vintila mit einem Grinsen, das seinen spitzen Zügen etwas Fuchsartiges verlieh. Immer wenn der alte Geistseher in der Nähe war, fühlte Cornel sich unwohl – als wisse Vintila etwas über ihn, ein Geheimnis, und lasse ihn dies ständig spüren. Die anderen Sonnenpriester mochten Vintila für einen harmlosen alten Mann halten, einen etwas verschrobenen Geistseher, den der lange Kontakt mit den mystischen Schemen des Landes geprägt hatte, doch Cornel sah durch die Maske des Alten. Hinter dem leutseligen Grinsen verbarg sich ein wacher Geist. Nicht nur das Lächeln gemahnte an einen Fuchs, auch der Verstand des Geistsehers war schnell und flink.
»Ich hoffe, Eure neue Unterkunft ist nach Eurem Geschmack?«, erkundigte sich Cornel höflich.
»Och, ja. Ich brauche nicht viel. Kein großes Zimmer oder gar ein ganzes Gebäude, um meine Pflicht erfüllen zu können. Außerdem sind Veränderungen gut. Halten den Geist jung.«
Säuerlich erwiderte Cornel das verschmitzte Lächeln des Alten. Seufzend streckte sich Vintila, bevor er sich wieder auf den Stock lehnte.
»Setzt Euch, Geistseher«, forderte Şten ihn auf und wies auf den Stuhl, auf dem er bislang an der Seite seines Sohnes gewacht hatte. Die ganze Nacht, wie Cornel vermutete. Der Voivode war vieles, doch vor allem treu – seinem Volk und seiner Familie gegenüber.
Vintila machte eine große Schau daraus, sich auf dem gepolsterten Stuhl niederzulassen. Manchmal fragte sich Cornel, wie viel von der Gebrechlichkeit des Geistsehers echt war und wie viel nur gespielt. Aber solche Gedanken waren unwürdig, sowohl seiner selbst als auch seiner Position, und er bereute sie sofort.
»Der arme Junge«, murmelte Vintila, der Ionnis eine von blauen Venen überzogene Hand auf die Stirn legte. »Er hat Glück, dass er einen so mutigen Bruder hat.«
»Ja, davon sprachen wir gerade schon. Selbst in dieser Zeit der Sorge bin ich sehr stolz auf meinen Sohn.«
»Es wäre eine Tragödie gewesen. Wenn ich daran denke, dass es vielleicht meine Schuld sein könnte …«
»Grämt Euch nicht, Geistseher. Es war nicht Eure Schuld.«
Stumm verfolgte Cornel das Gespräch zwischen dem Voivoden und seinem Geistseher. Bis zum Eintreffen Vintilas hatte er auf Augenhöhe mit Şten sprechen können, doch nun war er wieder der Ausgestoßene, der Fremdkörper, unwillkommen im eigenen Land und bei den eigenen Leuten.
»Ich habe die letzten Tage nie ein Feuer angemacht, und ich bin lange vor Einbruch der Nacht aufgebrochen, um einigen Bauern vor der Stadt zu helfen. Sie riefen mich überraschend. Hätten sie nicht Sorge um ihr Vieh gehabt, wäre ich wohl auch in meinen Gemächern gewesen.«
»Ihr hattet kein Feuer an?« Ştens Frage kam schnell, und auch Cornel war bei den Worten hellhörig geworden.
»Nein, nein. Meine alten Knochen brauchen nicht viel Wärme. Wie gesagt, meine Ansprüche sind gering.«
Nachdenklich strich sich der
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