Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Voivode über das Kinn. Er war unrasiert, und in der Stille konnte Cornel das Kratzen hören, das seine Bartstoppeln verursachten.
»Kein Feuer …«
Die Bedeutung des Gesagten war allen Anwesenden klar. Vielleicht bis auf Vintila, der sich vorgebeugt hatte und nun mit geschlossenen Augen Ionnis’ Hand hielt. Der Geistseher schien gar nicht zu bemerken, was in seinem Rücken geschah, geschweige denn zu hören, was gesprochen wurde. Als ginge ihn das alles nichts an. Oder als ob seine Worte ihr Ziel gefunden haben und er nun gelassen auf ihre Wirkung vertraut.
»Wenn es kein Unfall war, dann bleibt nur eines übrig. Ein heimtückischer, feiger Anschlag.«
Das waren die Worte, vor denen Cornel sich gefürchtet hatte. Er spürte, wie sich die Härchen in seinem Nacken aufrichteten. Er konnte die nächsten Worte fast vorhersagen, als habe das Göttliche Licht ihn unversehens zum Propheten gemacht: Die Masriden haben den Frieden gebrochen. In Gedanken formulierte er ein heftiges Stoßgebet, denn diese Worte würden Krieg bedeuten.
»Brände entstehen immer wieder«, gab Vintila unverhofft zu bedenken. »Nicht nur ein Feuer im Kamin kann sie auslösen, auch eine unvorsichtig abgestellte Lampe oder etwas dergleichen.«
»Wir müssen ganz sicher sein«, warf Cornel schnell ein. »Eine falsche Anschuldigung könnte fatal sein.«
Er ertrug Ştens langen Blick mit einer äußerlichen Gelassenheit, die er im Inneren nicht fühlte.
»Ja, das müssen … wir.«
»Wenn es ein Anschlag war, dann waren es Masriden«, sprach Vintila dann doch noch aus, was Cornel fürchtete, ohne den Blick von Ionnis zu nehmen. »Und dann müssen wir mit weiteren Übergriffen rechnen, da der Prinz diesmal entkommen ist.«
»Wir wissen nicht …«, begann Cornel, aber Şten hob die Hand und brachte ihn zum Schweigen. Der Voivode fand offenkundig zurück zu sich selbst, wurde vom Vater zum Herrscher, der mit einer simplen Geste Respekt einforderte.
»Cornel, ich stelle Euch diese Fragen nur einmal, also beantwortet sie gut. Auf wessen Seite steht Ihr? Wenn es zu einem Konflikt kommt, können wir Euch trauen?«
Konflikt, was für ein schönes Wort für eine hässliche Sache, dachte der Sonnenpriester sarkastisch. Laut sagte er: »Meine Liebe gilt dem Göttlichen Licht, Voivode. Aber Eure Frage beantwortet sich selbst: wenn Ihr sie stellen müsst, vertraut Ihr mir nicht.«
Ein Muskel zuckte in Ştens Wange. Immer noch saß Vintila mit dem Rücken zu ihnen, die Aufmerksamkeit scheinbar nur auf Ionnis gerichtet. Der alte Geistseher hatte mit seinen Worten ein Feuer geschürt, das vielleicht das ganze Land erfassen mochte, aber es schien ihn nicht zu berühren.
»Verzeiht mir, Cornel«, sagte der Voivode überraschend. »Ich bin müde und habe voreilig gesprochen, auch wenn dies meine Worte nicht entschuldigt.«
»Es sind schlimme Zeiten«, murmelte der Sonnenpriester, während eine gewaltige Erleichterung von ihm Besitz ergriff. »Ich wurde hierhergesandt. Nicht nur von meinem Orden, sondern weil es meine Pflicht dem Göttlichen Licht gegenüber ist. Ich will meinem Land, meinem Volk zeigen, was mir geschenkt wurde. Und egal, was geschieht, ich bin Wlachake, ebenso wie Ihr, Herr.«
Er spürte Ştens forschenden Blick, und er hielt ihm stand. Augenblicke verstrichen, in denen niemand sprach.
Bevor der Voivode etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür erneut, und der dyrische Gast des Voivoden betrat den Raum. Cornel hatte Artaynis zuletzt in der Nacht des Brandes gesehen, als sie sich zu seinem Erstaunen daran
beteiligt hatte, die Feuer zu löschen. Nicht unbedingt, was ich von einer Adeligen aus dem Goldenen Imperium erwartet hätte.
Der Geistseher erhob sich mühsam von seinem Sitzplatz. »Ich sehe, auch unsere weit gereiste Besucherin teilt meine Sorge um Nemes Ionnis«, sagte er mit einem schwer deutbaren Lächeln, bevor er zur Tür humpelte.
Artaynis erwiderte das Lächeln nicht und beachtete auch Cornel kaum. Sie stellte sich neben den Voivoden und sagte leise: »Ihr müsst Euch selbst ausruhen, Şten. Ich kann ein Weilchen hier sitzen. Wenn sich etwas – irgendetwas – verändert, werde ich Euch sofort holen.«
Şten cal Dabrân sah aus, als ob er auffahren und der jungen Frau widersprechen wollte. Doch die Erschöpfung in seinen Zügen gab ihr recht. Mit zusammengepressten Lippen nickte er langsam.
»Nun gut.« »Und ich kann mit ihr hierbleiben«, beeilte sich Cornel zu versichern.
Der Voivode blickte sie beide
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