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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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nicht versprechen, dass Wrag die Tiere nicht als Proviant ansieht.«
    Während Şten und der Troll die Details der Reise besprachen, hörte Natiole ihnen nur mit einem Ohr zu. Die Worte des Geistsehers beschäftigten ihn, und der Blick des alten Mannes war fest auf ihn gerichtet.

    »Ich gehe mit«, erklärte er unvermittelt, erstaunt über den eigenen Entschluss. »Ionnis kann sie nicht begleiten, also werde ich seinen Platz einnehmen.«
    Seine Worte unterbrachen das Gespräch, und Şten sah ihn verwirrt an, bevor er den Kopf schüttelte.
    »Nein. Du wirst hier gebraucht. Zudem bist du verletzt. Das kommt gar nicht in Frage.«
    »Ionnis hat diese Verpflichtung angenommen, und ich will sie von ihm übernehmen. Es ist nur recht, Vater. Du sagst selbst, dass jemand gehen muss, der für uns sprechen kann. Dessen Wort Gewicht hat, der sich für sie einsetzen kann. Wer wäre dafür besser geeignet als der Sohn des Voivoden? Deshalb wolltest du Ionnis schicken.«
    Obwohl er sich nicht einmal selbst über seine Motive klar war, wusste Natiole, dass er gehen musste. Er fühlte sich schuldig an Ionnis’ Verletzungen, als wäre er zu spät zu dessen Rettung gekommen. Oder als hätten seine missgünstigen Gedanken das Unglück erst heraufbeschworen. Sein Bruder verehrte das Imperium, hatte stets versucht, ihm diese Liebe begreifbar zu machen. Doch Natiole hatte sich ihm verweigert. Ich muss gehen. Ich muss sehen, was er gesehen hat. Ich muss verstehen, was er verstand. Ich will ein besserer Sohn sein, wenn er … wenn mein Bruder nicht mehr erwacht.
    Natiole spürte, wie ihm ungebetene Tränen in die Augen stiegen, und er schämte sich, da er wie ein trotziges Kind wirken musste. Doch es war nicht Wut, sondern Trauer, die ihn umtrieb. Trauer und Schuld.
    »Nati. Natiole. Du bist mein Nachfolger. Ich brauche dich hier. Gerade jetzt, da Ionnis verwundet ist.«
    Ştens Tonfall war flehend, als suche er Verständnis. Sein Wort war in Wlachkis Gesetz, und Natiole hätte ohnehin niemals ohne die Erlaubnis seines Vaters aufbrechen können.
    »Vielleicht ist es keine dumme Idee«, warf Vintila überraschend
ein. Alle Augen waren nun auf den Geistseher gerichtet, der mit seinem Stock auf Kerr deutete. »Die Trolle brauchen unsere Hilfe, und wir haben den Beschluss ja längst gefasst, sie zu unterstützen. Ionnis wäre der richtige Kandidat gewesen. Dass sein Bruder nun geht, erscheint mir richtig. Vor allem angesichts der Umstände.«
    Stirnrunzelnd blickte Natiole den alten Mann an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Vintila ihn unterstützen würde, aber die Worte des Geistsehers hatten immer viel Gewicht.
    »Eine weite Reise«, fuhr der Alte fort und fixierte Şten mit seinem intensiven Blick. »Für einen Sommer fort aus Wlachkis. Über die Berge. Es wäre nicht das Dümmste, den Thronfolger selbst für uns und die Trolle sprechen zu lassen. Und wenn der Brand wirklich ein Anschlag auf das Leben des Prinzen war, dann wird Nemes Natiole sicherer sein, wenn er Remis verlässt, solange wir die Schuldigen noch nicht gefunden haben.«
    Noch schien Şten nicht völlig überzeugt, aber es wirkte auf Natiole, als würde sein Vater in seinem Entschluss schwanken. Sofort setzte er nach: »Du hast Ionnis ins Imperium gesandt, damit er das Leben dort kennenlernt. Damit er dort lernen kann. Denkst du nicht, dass eine solche Reise auch für mich wertvoll sein könnte?«
    »Ich weiß nicht, warum du plötzlich so versessen darauf bist, das Imperium zu bereisen«, erwiderte Şten bedächtig. »Wenn ich mir dein bisheriges Verhalten – auch unserem Gast gegenüber – anschaue, verwundert mich deine Hartnäckigkeit. Aber ihr habt beide nicht unrecht. Womöglich ist eine solche Reise derzeit eine gute Idee. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Ich würde es mögen, mit Natiole zu gehen«, erklärte Kerr und erhob sich abrupt. »Er ist mutig und gerissen. Einer wie er ist gut für den Stamm.«
    Wieder einmal war Natiole nicht sicher, ob die Worte
tatsächlich ein Lob waren, da sie aus dem Mund eines Trolls kamen.
    Şten erhob sich. »Ich werde wieder zu Ionnis hinübergehen«, verkündete er und beendete damit die kleine Versammlung.
    »Ich löse dich später ab, Vater«, versicherte Natiole ihm, bevor er sich humpelnd auf den Weg machte.
    Er schloss die Tür zu den Gemächern seines Vaters behutsam hinter sich, so, als könne ein zu lautes Geräusch seinen Bruder aufwecken. Die Absurdität seines Gedankens wurde ihm beinahe sofort bewusst. Bei

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