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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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allen Geistern, dachte er, wenn es doch nur so einfach wäre.
    Mit seinen eigenen düsteren Überlegungen beschäftigt, lief Natiole den Gang entlang, der zur Küche führte, und entdeckte Artaynis beinahe erst, als sie schon vor ihm stand. Als sie ihn sah, blieb sie stehen. »Nemes Natiole – kommt Ihr von …«
    Natiole nickte bestätigend. »Ionnis schläft, unverändert. Mein Vater ist jetzt bei ihm«, entgegnete er.
    Die Dyrierin wirkte für ihre Verhältnisse nahezu unauffällig. Statt ihrer üblichen prunkvollen Kleidung trug sie ein schlichtes dunkles Kleid, und ihr Haar, das sonst stets aufwändig frisiert war, hatte sie zu einem festen Zopf gebunden.
    Sie legte nachdenklich den Kopf zur Seite. »Glaubt Ihr, dass es besser wäre, Euren Vater jetzt nicht zu stören?«
    Die Frage überraschte Natiole. Offenkundig macht sie sich wirklich Gedanken um Vater und Ionnis.
    »Ich weiß nicht«, gab er ehrlich zu. »Das Feuer, der mögliche Angriff auf uns und Ionnis’ Zustand machen ihm schwer zu schaffen. Und in dem Krankenzimmer geht es bisweilen schlimmer zu als in einem Taubenschlag – es scheint, als ob jeder am Hof den Prinzen besuchen will, und mein Vater muss trotz all seiner Sorgen ständig weitere Entscheidungen treffen, ob er möchte oder nicht.«

    Das war vermutlich die längste Rede, die er je in Gegenwart der Dyrierin gehalten hatte, und er hatte die Worte nicht geplant. Es war wohl die Müdigkeit, die seinen Geist verwirrte.
    »Dann werde ich ihn nicht behelligen«, beschloss Artaynis. »Wolltet Ihr in die Küche?«
    »Ich hatte noch kein Abendessen«, gestand er, »und ich wollte schauen, was ich dort finden kann.«
    Sie lächelte ihn verschmitzt an.
    »Mundraub«, erwiderte sie. »Das ist mein Lieblingsverbrechen.«
    Natiole betrachtete sie prüfend. Machte sie sich schon wieder über ihn lustig? Aber er konnte kein Anzeichen dafür entdecken. Also setzte er sich ohne ein weiteres Wort in Bewegung, und Artaynis folgte ihm.
    In der Küche herrschte auch zu dieser Stunde Betrieb, da die Herdfeuer nie völlig ausgehen durften. Allerdings waren es nur eine einsame Magd und ein Küchenjunge, die Roste stapelten und die Kochstellen heiß hielten.
    »Setzt Euch«, forderte Natiole die Dyrierin auf, noch immer unsicher, ob sie sich einen Spaß mit ihm erlaubte. Aber sie ließ sich lediglich an einem der groben Holztische nieder und schaute ihn erwartungsvoll an. Er lehnte die Krücken gegen die Tischkante.
    »Ich bin gleich wieder da.«
    Rasch hatte er Brot, Äpfel, Käse und kalten Braten auf einem Holzbrett zusammengesucht. Dann kam ihm ein Gedanke, und er winkte den Küchenjungen zu sich. »Bring das dem Voivoden auf sein Zimmer«, ordnete er an. »Lass dich auf keinen Fall mit den Sachen wegschicken.«
    Der Junge nickte eifrig, nahm die Platte und murmelte: »Ja, Herr.«
    Dann lief er, das Brett vorsichtig balancierend, zur Tür. Nachdem Natiole ein zweites Brett gefüllt hatte, kehrte er zu der Dyrierin zurück, setzte sich ihr gegenüber und
stellte das Mahl zwischen sie. Sie brach ein Stück Brot ab.
    »In Wlachkis ist alles so … wenig förmlich«, sagte sie. »Bei uns zu Hause könnte ich nicht einmal in der Küche essen, wenn das mein sehnlichster Wunsch wäre. Die gesamte Haushaltung würde Kopf stehen.«
    »Ionnis und ich haben früher alles mitgenommen, was der Koch nicht weggesperrt hatte«, erwiderte Natiole ungerührt. »Wenn darüber jedes Mal der Haushalt zusammengebrochen wäre, hätten die Masriden Remis schon lange zurückerobert.«
    Das entlockte ihr ein Kichern. »Ihr habt Eurem Bruder früher sehr nahgestanden?«
    Sofort kehrten Natioles düstere Gedanken zurück. »Als wir Kinder waren, ja. Bevor er nach Dyrien gegangen ist.«
    »Was Ihr während des Brandes getan habt, war sehr mutig.« Artaynis blickte ihm direkt in die Augen. »Ihr habt ihn gerettet.«
    Ich habe mir seinen Tod gewünscht. Der Gedanke stieg wie bittere Galle in Natiole auf. Hastig sprang er auf, bereute es jedoch sogleich, als ein stechender Schmerz sein Bein hinauffuhr.
    »Wein?«, fragte er und hinkte davon, ohne ihre Antwort abzuwarten. Was mir gerade noch gefehlt hat, ist falsche Bewunderung von seiner dyrischen Liebsten.
    Zu seinem Glück schien Artaynis jedoch nicht weiter über den Brand sprechen zu wollen, denn als er ihr einen Becher Roten reichte, bedankte sie sich lediglich. Die Stille zwischen ihnen breitete sich rasch unbehaglich aus, und so fragte Natiole schließlich: »Vermisst Ihr Euer

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