Der Zorn des Highlanders
Leidenschaft setzt dir schwer zu, oder nicht?«
»Oh ja.« Avery schüttelte sich. »Meine Innereien sind dadurch wie verknotet. Mein einziger Trost ist, dass es ihm nicht anders geht.« Sie und Gillyanne grinsten sich kurz an, dann wurden sie wieder ernst. »Ich denke nicht, dass ich die Kraft habe, lange dagegen anzukämpfen.«
»Oh je.«
»Genau.«
»Dann müssen wir uns darauf konzentrieren, wie man seinen Triumph verringert.«
Avery nickte. »Ich habe bereits darüber nachgedacht. Eins ist sicher: Payton muss erfahren, dass mir meine Jungfräulichkeit nicht geraubt wurde, sondern dass ich sie freiwillig und bereitwillig hingegeben habe. Damit will ich Paytons mögliche Schuldgefühle erleichtern.«
»Das wird bestimmt Sir Camerons Plänen etwas von ihrer Wirkungskraft nehmen.«
In diesem Moment näherte Cameron sich ihnen. Innerlich fluchend bemerkte Avery, dass ihr Puls schon beim bloßen Anblick dieses Mannes schneller schlug. Es war in gewisser Hinsicht verständlich. Immerhin war er ein außerordentlich gut aussehender Mann. Irgendwie musste sie ihre Schwäche in Stärke verwandeln, aus einer möglichen Demütigung eine Quelle des Stolzes machen. Das war bestimmt nicht einfach, vor allem, wenn unter seinen Blicken und Berührungen ihr Verstand dahinschmolz wie Schnee in der Sonne.
»Aber zuerst«, murmelte sie, sodass nur Gillyanne sie hören konnte, »habe ich vor, diesen Mann zu entflammen, ein so heftiges Begehren in ihm zu wecken, dass Rache das Letzte in seinem kleinen Gehirn sein wird, an das er denkt. Ich habe die Absicht, ihn in den Wahnsinn zu treiben.«
Camerons Schritte gerieten ein wenig ins Stocken, als ihn plötzlich beide Murray-Mädchen strahlend anlächelten. Ihre kleinen, feinen Figuren waren anziehend, ihr Lächeln wirkte warm und echt. Ihre ungewöhnlichen Augen funkelten. Normalerweise sollte ein Mann sich über einen solchen Anblick freuen und sich geschmeichelt fühlen. Doch als er Avery am Arm nahm und zu seinem Pferd führte, fragte Cameron sich, warum dieses hübsche Lächeln das zwingende Bedürfnis in ihm weckte, jedes Stück Rüstung anzulegen, das er besaß.
4
»Wir sind zu zufrieden«, sagte Avery, während sie mit ihrer Cousine am Rand des MacAlpin-Lagers entlangspazierte.
»Sind wir das?« Gillyanne blieb kurz stehen, um eine kleine blaue Blume genauer zu betrachten. »Es ist eine gute Jahreszeit, um zufrieden zu sein«, entgegnete sie, indem sie wieder zu Avery aufschloss.
»Stimmt. Aber ich glaube, wir haben uns einlullen lassen und vergessen, dass wir Gefangene sind – und ebenso Camerons Pläne in Bezug auf Payton.«
»Es ist schwer, sich solche Unannehmlichkeiten in Erinnerung zu rufen, wenn der Frühling in der Luft liegt. Andererseits wundere ich mich, dass du sie überhaupt vergessen kannst, da er dich doch ständig fesselt.«
»Weil er es so sorgfältig macht, um mir nicht wehzutun, habe ich mich wohl daran gewöhnt, und meine Wut über diese Behandlung lässt nach. Und deshalb mache ich mir Sorgen. Die Lust vernebelt meine Sinne, sodass ich die Gründe für unseren Ritt mit den MacAlpins vergesse.«
»Ich habe eigentlich gedacht, seine Sinne sollten von der Lust vernebelt werden. Das hast du vor drei Tagen gesagt.«
Avery seufzte. »Ich fürchte, ich bin inzwischen zu verwirrt, um zu wissen, ob es klappt. Seine Stimmung verschlechtert sich. Aber kommt das davon, dass ich ihn quäle, oder ist er einfach ein schlecht gelaunter Mensch? Drückt die nicht erwiderte Leidenschaft seine Stimmung oder die Tatsache, dass sein Vergeltungsplan nicht so leicht durchzuführen ist?«
»Ich glaube, es ist unerwiderte Leidenschaft. Genau genommen, sollten wir von unerfüllter Leidenschaft sprechen, denn sie ist ja nicht unerwidert, oder?«
»Leider nein. Um ehrlich zu sein, fürchte ich allmählich, es könnte sehr viel mehr sein als Leidenschaft.«
»Dann kannst du es wie Cousine Elspeth machen.«
»Ihn jagen, bis er mich einfängt?» Avery lachte zusammen mit Gillyanne, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich habe nicht Elspeths Talent. Ich kann nicht an einem einzigen Kuss erkennen, ob er der Mann meines Lebens ist. Er könnte es vielleicht sein. Das würde erklären, warum das Verlangen mir den Verstand raubt. Es würde erklären, warum ich überhaupt etwas für ihn empfinde, wenn man bedenkt, dass er mich als Rachewerkzeug gegen meinen eigenen Bruder benutzen will. Aber diese Erklärungen sind völlig bedeutungslos. Seine Rachepläne machen eine gemeinsame
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