Der Zorn Des Skorpions
mit sich hinunter in die eisige, tödliche Tiefe.
»Regan!« Sie hörte ihren Namen, als sie sich am schlüpfrigen Eis festhielt. Es war Nates Stimme, aber sie kam wie Donnergrollen von weit her. Aus sehr, sehr großer Entfernung …
Ihr Bein hing im kalten Wasser, und Billys Gewicht zog sie unerbittlich weiter hinunter, hinein in das gähnende Loch, wo er untergegangen war, mit der Absicht, sie mitzunehmen.
»Regan! Halte durch!«
Santana? O bitte …
Mit einem letzten verzweifelten Ruck zog Billy Regan hinunter in die eisige Tiefe des Sees …
»Nein!« Santana rannte, rutschte, schlitterte über das Eis. Er war Zeuge des Kampfs, sah entsetzt zu, wie Billy Hicks Regan am Fußknöchel festhielt und sie ins Wasser zog. »Oh, nein!« Dort, wo er sich befand, war das Eis fest, doch als er sich dem Loch näherte, sah er die Risse und Sprünge, die tödlichen Spalten im Schnee, aus denen das Wasser schwappte.
Er musste zu ihr. Musste sie retten.
Er ließ die nutzlos gewordenen Waffen fallen, zog seine Jacke aus und hielt geradewegs auf das bewegte dunkle Wasser zu. Über ihm flog ziemlich tief ein Hubschrauber.
Die Polizei! Was für ein Glück!
»Zurück, Santana!«, hörte er eine Stimme von oben durchs Megafon rufen, eine ihm unbekannte Stimme, die das
wapp, wapp, wapp
der Rotoren übertönte. »Nate Santana, zurück!«
Doch schon hatte er die Einbruchstelle erreicht und tauchte ins Wasser.
Regan ertrank, schlug um sich, wehrte sich unter Wasser gegen den Verrückten. Der Perverse schlug sie, und sie holte nach ihm aus, verfehlte ihn, und ihre Hand verfing sich in dem Seil, das sich in der Dunkelheit abwickelte. Über ihr war Licht, verschwommen und gebrochen durch das Eis. Der Sog hatte sie von dem Loch im Eis entfernt; sie waren zum Tode verurteilt.
Billy kam wieder näher, und sie zog den Schraubenzieher aus der Tasche. Wie in Zeitlupe stieß sie zu, trieb ihm die Kreuzschlitzspitze ins Auge.
Blut schoss heraus und bildete rosa Wolken im Wasser.
Regan stieß sich mit den Füßen ab. Ihre Lungen brannten, das Wasser war von Blut verfärbt. Sie konnte nicht mehr. Konnte die Oberfläche nicht erreichen, ganz gleich, wie kräftig sie Wasser trat.
Es ist vorbei,
dachte sie wild.
Billys Prophezeiung ist wahr geworden.
Ein Adrenalinstoß gab ihr die Kraft, sich mit den Füßen abzustoßen, aber ihre Lunge, o Gott, ihre Lunge drohte zu explodieren!
Sie dachte an Bianca, an der Schwelle zum Frausein.
Ach, Baby, ich wollte dich nicht im Stich lassen … ich liebe dich … Und Jeremy … Und Nate …
Ihre Lungen hatten ihre Belastungsgrenze erreicht, jedes einzelne Bläschen wollte platzen. Schmerz, heiß und brennend, durchzuckte sie. Sie atmete ein wenig aus, Luftbläschen stiegen nach oben. Eine winzige Erleichterung.
Gib nicht auf! Tu’s nicht! Kämpfe. Für deine Kinder! Für Santana! Du hast noch so viel, wofür es sich lohnt zu leben.
Aber die Schmerzen … Noch mehr Luftbläschen. Billy, wie ein Tintenfisch im von ihm selbst vernebelten Gewässer, kämpfte um sein Leben, doch er trieb fort von ihr, von dem Seil …
Sie stieß noch mehr Atemluft aus. Ihr wurde schwindlig.
Das war’s …
Jemand zerrte an ihrem Arm, der sich im Seil verfangen hatte, und ihr letzter finsterer Gedanke war, dass Billy Hicks, der Unglücksstern-Mörder, sie mit seinem tödlichen Seil genauso sicher gefesselt hatte, als hätte er sie an einen Baum gebunden.
Sie stieß die restliche Atemluft aus, und ihre Lungen begannen, sich mit Wasser zu füllen.
Nein!
Unterm Eis sah Santana, wie sie aufgab. Sah zu, wie die Frau, die er liebte, sterbend die letzte Atemluft ausstieß.
Regan, nein, du stirbst mir nicht einfach weg.
Er zog an dem Seil, das sich um ihren Arm gewickelt hatte, zog kräftig und schwamm gleichzeitig zur Oberfläche hinauf, zu dem nur ein paar Meter entfernten Loch. Seine Lunge brannte, aber er gab nicht auf, schwamm kraftvoll, so kraftvoll wie seinerzeit im Schwimmerteam der Highschool. Er durchbrach den Wasserspiegel, rang nach Luft, zog Regan mit sich, barg ihren Kopf an seiner Brust und hielt sich an der unsicheren Eiskante fest. Die Rettungsmannschaft im Hubschrauber hatte ganz in ihrer Nähe einen Mann heruntergelassen.
»Halte durch«, flüsterte Santana in Regans nasses Haar. »Nein, Pescoli, wag es nicht, mir einfach wegzusterben. Kapiert?« Seine Stimme brach, und er verfluchte sich für seine Schwäche, doch er küsste sie auf den Kopf und sagte: »Ich liebe dich,
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