Der Zorn Des Skorpions
1. KAPITEL
Gestern
R egan Pescoli war heiß.
Allerdings nicht in erotischem Sinne.
Sie platzte fast vor Wut. Sie kochte vor Zorn. Stinksauer war sie.
Sie umfasste das Steuer ihres Jeeps so krampfhaft, dass ihre Knöchel weiß wurden, biss die Zähne fest zusammen und sah starr auf die Straße, als könnte ihr zornfunkelnder Blick das Bild des herzlosen Schweinehunds heraufbeschwören, der sie in diesen Zustand namenloser Wut versetzt hatte.
»Mistkerl«, zischte sie. Die Reifen ihres Dienstwagens gerieten auf dem vereisten Abhang leicht ins Rutschen. Ihr Herz raste, ihre Wangen waren trotz der Minustemperaturen draußen gerötet.
Kein Mensch auf der Welt außer ihrem Ex-Mann, Luke »Lucky« Pescoli, brachte sie dazu, dermaßen rotzusehen. So wie an jenem Tag. Da hatte er schließlich die unsichtbare Grenze überschritten, die Regan gezogen und er bisher respektiert hatte. Er war doch wirklich einfach nur ein Versager. In all den Jahren ihrer Ehe hatte er ihr nichts als Unglück gebracht.
Und jetzt hatte er es sich aus heiterem Himmel in den Kopf gesetzt, ihr die Kinder wegzunehmen.
Die Melodie eines bekannten Weihnachtslieds dudelte im Radio ihres Jeeps, während Regan wie eine Verrückte durch die steilen, schneebedeckten Berge und Schluchten in dieser Gegend der Bitterroot-Bergkette raste. Der Jeep reagierte optimal. Die Fenster beschlugen vor Kälte, der Motor überwand grollend den Pass, die Reifen fraßen sich über die verschneite Landstraße durch diese Bergkette, über den Bergrücken, der ihr Haus von der Gegend trennte, in der Luke mit seiner neuen Frau lebte, einer Barbiepuppe mit Namen Michelle.
Gewöhnlich war Regan glücklich über diese Barriere. Doch heute ging sie ihr aufgrund der schlechter werdenden Wetterbedingungen gehörig auf die Nerven.
Ihr letztes Telefongespräch mit Luke spulte sich wie die schlechte Bandaufnahme einer Warteschleife immer wieder in ihrem Kopf ab. Er hatte angerufen und bestätigt, dass
ihre
Kinder, der Sohn und die Tochter, die sie weitestgehend allein erzogen hatte, bei ihm waren. Lucky hatte in seiner herablassenden Art gesagt: »Die Kinder, Michelle und ich haben geredet, und wir stimmen alle überein, dass Jeremy und Bianca bei uns wohnen sollten.«
An diesem Punkt war das Gespräch eskaliert, und Regans Abschiedsworte an ihren Ex-Mann, bevor sie den Hörer aufknallte, waren: »Pack die Sachen der Kinder, Luke, denn ich komme und hole sie ab. Und Cisco ebenfalls. Ich will meinen Sohn. Ich will meine Tochter, und ich will meinen Hund. Und ich komme und hole sie mir.«
Sie hatte das Haus verschlossen und war sofort losgefahren, entschlossen, die Fronten zu klären und ihre Kinder zurückzubekommen. Oder Lucky umzubringen. Oder beides.
Der Motor des Jeeps heulte empört auf, als sie auf dem verschneiten Terrain zu einem entnervenden Schneckentempo herunterschaltete. Sie suchte im Handschuhfach nach ihrem Reserve-Zigarettenpäckchen, das sie »für den äußersten Notfall« dort versteckte, nur um feststellen zu müssen, dass es leer war. »Toll.« Sie zerknüllte die nutzlose Schachtel und warf sie auf den Boden vor dem Beifahrersitz. Sie hatte das Rauchen aufgeben wollen …, ganz und gar, schon seit geraumer Zeit. Wie es aussah, war es heute so weit.
Im Radio trällerte irgendeine Countrysängerin etwas von scheußlichem Wetter, und Pescoli schaltete es aus.
»Du hast ja recht«, brummte sie grimmig und beschleunigte in einer Kurve. Die Reifen schlitterten leicht, fanden dann wieder Bodenhaftung.
Sie nahm es kaum wahr.
Ebenso wenig nahm sie die hohen Fichten, Tannen und Kiefern wahr, die sich mit von Schnee und Eis beschwerten Zweigen wie majestätische Wachtposten in die frische, kalte Luft reckten. Schnee fiel aus unsichtbaren Wolken. Die Scheibenwischer fegten die Flocken weg, die Heizung lief auf Volltouren. Trotz des Gebläses konnte die warme Luft nichts dagegen ausrichten, dass die Fenster immer mehr beschlugen.
Pescoli kniff die Augen zusammen und sehnte sich nach einem einzigen tiefen Zug aus einer Zigarette, während sie sich für die bevorstehende Konfrontation wappnete, die abenteuerlich zu werden versprach. Von wegen »Fröhliche Weihnachten« und »Friede den Menschen, die guten Willens sind«. Das galt nicht für Lucky. Hatte noch nie gegolten. All diese Plattitüden, doch um der Kinder willen Frieden zu halten und die Gefühle zu beherrschen, waren vergessen.
Er durfte ihr nicht die Kinder wegnehmen, niemals.
Sicher, sie machte
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