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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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die Tür zu öffnen. Abgeschlossen. Keiner da. Vermutlich gerade in der Mittagspause oder sonst wo. Auf dem Flur lief auch niemand, Klopfen zwecklos, alle Türen verschlossen. Also: Zurück zum Aufzug, warten, runter ins Erdgeschoss, bei „H“ anstellen und nach dem „Nächster bitte!“ eintreten.
„Da sind Sie wieder! Und konnte sie ihnen weiterhelfen?“
„Sie war nicht da!“
„Sie müsste aber da sein!“
„Sie war es nicht!“
„Vermutlich ist sie nur auf der Toilette und kommt gleich wieder.“
„Ich lauf’ nicht noch mal“, bemerkte Maximilian und setzte sich auf einen freien Stuhl. „Meine Beine!“
„Gibt es noch jemand anders, der mir weiterhelfen könnte?“
Die Beamtin nahm einen Block und schrieb einen Namen und eine Telefonnummer drauf, dann reichte sie ihr den Zettel.
„Am Montag ist Herr Osler wieder da. Am besten wenden Sie sich an ihn, er wird wissen, was zu tun ist.“
„Am Montag? Und was soll ich so lange mit ihm anfangen?“
„Da kann ich ihnen leider nicht helfen. Lassen Sie ihn doch einfach bis Montag bei ihnen übernachten. Sind doch nur zwei Tage.“
Die Beamtin fand ihre Bemerkung so lustig, dass sie kichern musste. Ihre gelben Zähne blitzten zwischen den Lippen hervor. Am liebsten hätte Clara zu Zahnbürste und Schleifpapier gegriffen und der Frau die Zähne poliert – natürlich mit Handschuhen.

Clara nahm das Schreiben und marschierte zur Tür heraus. Maximilian hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. So schnell es ihm möglich war, trippelte er hinter ihr her. Aber erst auf der Straße hielt sie an und drehte sich um. Maximilian und sein Dackel befanden sich zwanzig Meter hinter ihr. Der alte Mann und der Hund kamen nur langsam voran. Am liebsten wäre sie davongelaufen, vielleicht hätte er nicht einmal zu ihr zurück gefunden. Doch das wäre gemein, Maximilian konnte für all das nichts. Er war ein Opfer der Gesellschaft, ein alter Mann, der herum geschoben wurde.
„Hören Sie! Es tut mir leid, aber Sie können nicht bei mir wohnen. Das geht nicht. Schon allein deswegen, weil mein Freund am Wochenende bei mir einzieht. Verstehen Sie das?“
Maximilian holte erst einmal Luft, dann folgte ein Röcheln, ein kurzes Husten, dann ein kleineres Röcheln: „Setzen Sie mich ruhig vor die Tür. Kümmern Sie sich nicht um mich. Ich komme schon zurecht. Ich bin über 60 Jahre allein zurechtgekommen.“
„Können Sie vielleicht irgendwo anders übernachten? Bei Freunden oder Bekannten? Zumindest bis Montag?“
„Ich könnte vielleicht ins Hotel“, flüsterte Maximilian. „Ich habe aber kein Geld und Hunde nehmen die auch nicht. Aber das soll nicht ihre Sorge sein. Gehen Sie ruhig nach Hause ins Warme. Ich melde mich am Montag. Vielleicht hätten Sie wohl noch ein paar Zeitungen mit denen ich mich heute Nacht zudecken könnte?“
Clara starrte ihn an, wie er mit Koffer und Dackel an ihr vorbei trottete.
„Wo wollen Sie jetzt übernachten?“
Aber Maximilian reagierte nicht. Er winkte nur kurz zum Abschied und folgte dann der Straße, vorbei an einem leer stehenden Kindergarten. Wind und Regen spielten mit den Schaukeln. Ein kleines Karussell drehte sich und ächzte mit jeder Drehung.
Clara sah den Zweien hinterher. Natürlich könnte sie ihm jetzt folgen, aber was sagen? Sie hatte kein Geld zu verschenken und übernachten konnte er nicht bei ihr – Finn würde ausflippen. Schlimmer noch: Er würde es vielleicht seinen Eltern erzählen und dann würden alle ausflippen. Aber was machte sie, wenn der alte Mann sich bei ihr einklagte? Besser, sie suchte sich einen Anwalt. Aber womit bezahlen? Geld von ihrer Mutter, die von Sozialhilfe lebte? Geld von ihrem Vater, der nichts von ihr wissen wollte?
„In Ordnung! Sie können bis Montag übernachten.“
Maximilian blieb stehen, wartete einen Moment und kehrte schließlich zurück.
„Aber nur bis Montag! Länger nicht. Ganz egal, was am Montag geschieht und was die sagen: Sie gehen dann.“
„Wollen wir auf dem Rückweg noch Tee kaufen?“
„Ich trinke keinen Tee!“
„Und Kuchen? Nachmittags habe ich immer Lust auf Kuchen.“
„Sie können ein Brot mit Marmelade haben.“
„Vollkornbrot?“
„Nein, Toast.“
„Kommen wir noch einmal auf den Tee zu sprechen. Wenn ich bei Toast einen Kompromiss eingehe, kann ich dann dafür Tee bekommen?“
Clara bekam diese grässlichen Kopfschmerzen, es hämmerte, es pochte und sie war kurz davor, in die Luft zu gehen. Aber angehende Ärzte explodierten nicht so einfach.

2b Der Kopf

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