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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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unmittelbar neben ihm. Nangala wirbelte herum und sah den Wagen, einen alten blauen Ford, der soeben am Straßenrand hielt. Die Türen schwangen auf, und drei seiner Verfolger stürzten auf ihn zu. Im selben Moment packte der vierte ihn von hinten. Nangala hatte ihn nicht einmal bemerkt. Mehrere Passanten schrien, einige rannten davon. Keiner wagte, in den ungleichen Kampf einzugreifen.
    Nangala versuchte, sich zu wehren, aber der Mann hinter ihm hatte ihn fest im Griff. Dann waren auch schon die drei anderen bei ihm. Sie packten ihn, stülpten ihm einen Sack über den Kopf und zerrten ihn zum Auto. Einer jagte ihm eine Spritze in den Oberarm, und augenblicklich erlahmte Anthony Nangalas Gegenwehr.
    Wenigstens habe ich das Couvert abgeschickt, war sein letzter Gedanke, bevor er in bodenlose Finsternis stürzte.

2.
    Moremi Wildtier-Reservat
Botswana, östliches Okawango-Becken
    I n der nächtlichen Savanne wärmten fünf Wilderer sich die Hände am Lagerfeuer. Über den Flammen dampfte ein Kessel, an einem Holzgerüst aufgehängt. Drei der Männer rauchten.
    Sie unterhielten sich laut und lachten grölend. Keiner von ihnen schien auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, welche Strafe auf Wilderei stand. Weshalb auch? Sie waren erfahren in ihrem blutigen Job, und sie wussten, dass es viel zu wenig Wildhüter in diesem weiten Land gab. Im Moremi-Reservat waren es gerade mal sechs. Sechs Scouts, jeweils zwei pro Schicht, für eine rund 8000 Quadratkilometer große Fläche. Für jemanden, der mit Elfenbein oder Fellen schnelles Geld machen wollte, bestand kein Grund zur Sorge.
    Einer der Männer, dem Aussehen nach der älteste, tunkte eine Kelle in den dampfenden Kessel und schöpfte sich damit eine Art Eintopf auf seinen Teller, Schmatzend begann er zu essen, während die anderen weiter palaverten und lachten. Sie sprachen Setswana. Immer wieder fielen die Worte »Pula« und »Thebe«. Sie bedeuteten »Regen« und »Tropfen«, waren zugleich aber auch die Währungsbezeichnung in Botswana. 100 Thebe entsprachen einem Pula. Die Männer redeten über Geld. Darüber, wie viel ihre Beute ihnen einbringen würde.
    Der Alte stieß seinen Sitznachbarn an, deutete auf die Schnapsflasche in dessen Hand und nahm sie mit zufriedenem Nicken in Empfang. Er gönnte sich einen ausgiebigen Schluck,gab die Flasche dann weiter und rülpste dabei kräftig, was allseitiges Gelächter hervorrief.
    Die Wilderer ahnten nicht, dass sie bereits seit Stunden beobachtet wurden.
    Im Lichtkreis des Lagerfeuers war nur wenige Meter hinter den Männern ihr Lastwagen zu erkennen. Ein uraltes Modell von MAN. Unter der sandfarbenen Plane, die sich wie ein Röhrenzelt über die Laderampe spannte, lagerte die Ausbeute eines ganzen Monats. Gut eine Tonne des so genannten weißen Goldes: Elfenbein. 40 Stoßzähne von 20 erlegten Elefanten.
    Der heimliche Beobachter war mit der Materie vertraut. Vor fünfzehn Jahren hatte ein Kilo Elfenbein auf dem internationalen Markt 250 Dollar gekostet. Heute waren es nur noch 50 Dollar. Doch trotz sinkender Preise lohnte sich das Geschäft noch immer. Die Lkw-Ladung stellte einen Gesamtwert von rund 50.000 Dollar dar. Die Wilderer würden natürlich nur einen Bruchteil davon erhalten, etwa 10.000 Dollar. Pro Nase also 2000 Dollar. Aber das war immer noch ein Vermögen in einem Land, in dem so manche achtköpfige Familie mit 150 Dollar im Jahr auskommen musste.
    Nicht nur der Lkw war im Schein des Feuers zu erkennen. Etwas abseits zeichneten sich die Silhouetten mehrerer riesiger Elefantenkadaver ab. Für die Wilderer waren allein die Stoßzähne wertvoll, die Körper der getöteten Tiere wurden den Aasfressern überlassen. Jährlich starben im südlichen Afrika rund 2000 Elefanten auf diese Weise. Der Tierbestand hatte sich in den letzten zwanzig Jahren halbiert. In manchen Gegenden betrug er gerade noch 10 Prozent. Eine beschämende Bilanz.
    Ein langer, wehleidiger Seufzer unterbrach das Gelächter der Männer. Neben einer toten Elefantenkuh stand ein Junges. Unentwegt streifte es mit dem Rüssel über den Kopf seiner Mutter, als könne es ihr auf diese Weise neues Leben einhauchen. Immer wieder stieß es gedehnte, qualvolle Rufe der Trauer in die sternenklare Nacht hinaus.
    Hundert Meter weiter, versteckt hinter einem Gebüsch, lag der von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Beobachter bäuchlings auf dem Sandboden und biss die Zähne zusammen. Die Rufe des Kalbs erregten sein Mitleid. Er spürte Wut in

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