Der Zweite Messias
sie noch im zwanzig Kilometer entfernten Jerusalem hören konnte. Von Gold und Rachel blieb nicht einmal mehr Asche übrig.Der katholische Priester fuhr in seinem alten, verbeulten Renault zweihundert Meter hinter dem Pick-up. Er spürte die Druckwelle der Explosion durch das heruntergekurbelte Seitenfenster, und seine Ohren schmerzten von dem Donnerhall. Er trat auf die Bremse. Der Renault rutschte über die sandige Fahrbahn, ehe er zum Stehen kam. Mit bleichem Gesicht starrte der Priester auf den orangeroten Feuerball, der in die Luft stieg, wobei er eine fette schwarze Rauchwolke hinter sich herzog.
Schließlich löste der Priester sich aus seiner Erstarrung und fuhr zum Ort der Katastrophe. Am Rand der Schlucht hielt er und sprang aus dem Wagen. Er sah das brennende, zerfetzte Wrack des Militärlasters und wusste, dass es für die Insassen keine Hoffnung mehr gab. Dann entdeckte er auch den weißen Pick-up, der sich überschlagen hatte und ein Stück von dem Laster entfernt lag. Aus dem Fahrerhaus drang Rauch.
»Möge Gott sich ihrer Seelen erbarmen«, murmelte der Priester und bekreuzigte sich, während er auf den Unfallort starrte. Sein Plan war fehlgeschlagen. Das hier hatte er nicht beabsichtigt. Zwar war die Schriftrolle so kostbar, dass selbst der Verlust von Menschenleben in Kauf genommen werden musste, aber ein solches Blutbad hatte er nicht vorhergesehen.
Der Priester warf sich zu Boden, als weitere Minen detonierten und Explosionen die Luft erzittern ließen. Dann glitt sein Blick wieder zu dem Pick-up, dessen Räder grotesk in die Luft ragten. Trotz des Rauchs im Fahrerhaus konnte der Priester die Insassen erkennen, die darin eingeschlossen waren. Einer von ihnen trat wie von Sinnen gegen die Windschutzscheibe und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Ganz in der Nähe lagen die reglosen Körper eines Mannes und einer jungen Frau.
Die Explosionen verhallten. Wieder schweifte der Blick des Priesters zu dem brennenden Pick-up. Der verzweifelte Insassetrat jetzt nicht mehr gegen die Windschutzscheibe; sein Körper war erschlafft.
trat jetzt nicht mehr gegen die Windschutzscheibe; sein Körper war erschlafft.
Obwohl Rauch den Blick ins Fahrerhaus behinderte, konnte der Priester die lederne Kartentasche erkennen, die hinter der Windschutzscheibe eingeklemmt war.
Der Priester wusste, dass sich in dieser Kartentasche die unersetzliche Schriftrolle befand, die an diesem Morgen in Qumran entdeckt worden war. Der Pick-up war mit seiner kostbaren Fracht auf dem Weg nach Jerusalem gewesen, zur israelischen Behörde für Altertumsforschung. Doch der Priester war entschlossen, dafür zu sorgen, dass die Schriftrolle niemals ihr Ziel erreichte.
Seine Anweisungen aus Rom waren unmissverständlich.
Das Geheimnis, das die Schriftrolle enthielt, musste vor der Welt verborgen bleiben.
Der Priester sah, wie Flammen an der Ledertasche leckten.
»O Gott, nein!«, stieß er hervor.
Er kroch den Hang hinunter und zu dem brennenden Wrack.
IN DER GEGENWART
ZWANZIG JAHRE SPÄTER
2.
R OM
Es begann mit einem Omen.
Manche sagten, das sonderbare Ereignis, das sich an jenem Tag kurz vor Mitternacht in der Sixtinischen Kapelle zugetragen hat, sei von Nostradamus vorhergesagt worden, und seine Prophezeiung habe sich erfüllt.
Doch es gab noch andere Zeichen.
In der Ewigen Stadt herrschte eine lastende Stille, als würde jeden Augenblick ein Sturm losbrechen. Das übliche hektische Treiben war erwartungsvoller, angespannter Ruhe gewichen. In den Hauptstraßen und entlang des Tiberufers hielten Autofahrer, stellten den Motor ab und schalteten die Autoradios ein. Rings um den Petersplatz, auf dem die Menschen dicht an dicht standen, waren die Satellitenschüsseln zahlloser Übertragungswagen zum Himmel gerichtet, als würden sie um göttlichen Beistand bitten. Scheinwerfer tauchten den Petersdom in gespenstisches Licht. Überall war Stille eingekehrt. Sogar in den Rotlichtvierteln der Stadt ließen die Prostituierten in den schäbigen Bordellen ihre Arbeit ruhen, um sich die Fernsehübertragungen anzuschauen.
Es war ein Tag, wie die Welt ihn noch nie erlebt hatte, denn eine Prophezeiung besagte, dass der neue Papst, dessen Wahl anstand, zugleich der letzte Papst sein würde – jener Mann, der zum Armageddon antreten musste, dem finalen Kampf zwischen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit. Nun warteten MilliardenMenschen überall auf der Welt gebannt auf die Nachricht von seiner Wahl.
Nachdem der alte Papst vor
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