Der zweite Mord
sagte:
»Fast zwei Jahre.«
»Was hatten Sie für ein Verhältnis zu ihr?«
Schwester Siv dachte lange nach, ehe sie antwortete:
»Sie war eine sehr tüchtige Krankenschwester. Sie konnte mit all diesen neumodischen Apparaten umgehen. Ich gehe bald in Rente und kann das nicht.«
»Wie war sie als Mensch?«
»Sie war freundlich und nett. Hilfsbereit.«
»Kannten Sie sich gut?«
Die Schwester schüttelte den Kopf.
»Nein. Man konnte sich gut mit ihr unterhalten, aber wenn wir anfingen, über Familie und solche Dinge zu reden, war sie ausweichend.«
»War sie verheiratet?«
»Nein. Geschieden.«
»Hatte sie Kinder?«
»Nein.«
Irene fielen keine weiteren Fragen mehr ein. Die kleine, graue Schwester schien noch weiter in ihrer Wolljacke zu versinken. Ihr Gesicht war müde und mitgenommen. Das sah sogar der Kommissar und sie schien ihm Leid zu tun.
»Soll ich jemanden bitten, Sie nach Hause zu fahren?«, fragte er mit seiner freundlichsten Stimme.
»Nein, danke. Ich wohne nur einen Steinwurf von hier entfernt.«
KAPITEL 3
Irene stellte bald fest, dass keiner der stationären Patienten etwas zur Ermittlung beitragen konnte.
Alle vier Patientinnen waren vom Alarm des Beatmungsgeräts geweckt worden. Benommen von Schmerz- und Schlafmitteln waren sie aber bald wieder eingeschlafen. Zwei Frauen hatten bandagierte Brüste, die anderen beiden hatten gewaltige Verbände um den Kopf. Aus den Verbänden hingen Wunddrainagen, die mit Blut gefüllt waren.
Die beiden männlichen Patienten der Station waren überhaupt nicht aufgewacht.
Die Schwester, die tagsüber Dienst hatte, Ellen Karlsson, war eine robuste Frau mittleren Alters. Mit ihrem grau melierten Pagenkopf und ihren braunen Augen machte sie einen freundlichen Eindruck.
»Wie schrecklich! Die kleine, süße Marianne … nicht zu fassen! Wer konnte sie nur ermorden wollen?«, rief sie und schluchzte auf.
Irene Huss hakte schnell nach.
»Das ist genau die Frage, die wir uns auch stellen. Sie haben keine Vorstellung?«
»Nein. Sie wirkte immer so umgänglich. Aber ich kannte sie kaum, da sie nur nachts arbeitete. Ich bin tagsüber hier. Außerdem waren wir auf verschiedenen Stationen. Sie können natürlich Anna-Karin fragen. Sie arbeitet tagsüber auf der Intensiv. Sie kennen sich … kannten sich etwas besser.«
Gemeinsam gingen sie aus dem Schwesternzimmer. Irene fiel die Ruhe auf dem Klinikkorridor auf. In allen Krankenhäusern, in denen sie bisher gewesen war, war das anders gewesen. Um überhaupt etwas zu sagen, fragte sie:
»Warum gibt es hier so wenige stationäre Patienten?«
»Die meisten Operationen werden heute ambulant durchgeführt. Hauptsächlich aus Kostengründen sowohl für die Patienten als auch für uns. Wie Sie sicher wissen, ist die Klinik ganz privat. Als ich vor dreiundzwanzig Jahren hier angefangen habe, gab es noch zwei Stationen. Vier Chirurgen arbeiteten Vollzeit. Damals waren die Stationen und die Intensivstation immer belegt. Wir haben natürlich auch an den Wochenenden gearbeitet. Jetzt ist die Klinik am Wochenende geschlossen, und wir sind nur noch vier Schwestern, zwei am Tag und zwei in der Nacht, eine für die Station und die andere für die Intensiv. Auch im OP und am Empfang hat man das Personal halbiert.«
»Warum dieser rigorose Personalabbau?«, fragte Irene.
»Sparmaßnahmen. Die großen OPs machen wir Anfang der Woche, Mittwoch und Donnerstag nur ambulant. Am Freitag ist nur Konsultation und Wiedervorstellung.«
»Wie viele Betten haben Sie?«
»Zwanzig auf der Station und zwei auf der Intensiv. Zehn Betten auf der Station befinden sich allerdings im Aufwachraum. Wir haben einen der größeren Säle neben der Intensivstation zur Wachstation für ambulante Operationen umgewandelt. Um diese Patienten kümmert sich die Intensivschwester.«
»Dort liegen die Patienten also einige Stunden und kommen zu sich, ehe sie nach Hause gehen?«
»Genau.«
»Was machen Sie, wenn es Komplikationen gibt und ein Patient nicht übers Wochenende nach Hause kann?«
»Wir haben einen Vertrag mit einer größeren Privatklinik in der Stadt. Sie kennen doch sicher die Källberg-Klinik. Dorthin schicken wir die Patienten, die noch nicht nach Hause entlassen werden können.«
»Die Löwander-Klinik ist also nie am Wochenende geöffnet?«
»Nein.«
Sie standen vor der großen Doppeltür zwischen Station und Intensivstation.
Schwester Ellen öffnete den einen Türflügel, und sie traten ein.
In der Mitte von zwei Betten stand
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