Der Zweite Tod
lehnte sie sich mit der linken Schulter gegen die Wand. Sie zielte ins Dunkel. Immer wieder vermischsen sich die beiden Konsuren. Sofi biss sich auf die Lippe. Sie konnte unmöglich schießen. Emelie. Sie konnte nicht riskieren, Barbro zu treffen. Der Knall, dachte sie. Sie hatte Gott darum gebeten. Schnell werden Wünsche wahr.
Sie hob die Waffe ein wenig, das verbesserte die Chance, den Mann zu treffen. Sofi schloss die Augen und machte sie wieder auf. Und schoss.
Der Knall in dem langen, unverkleideten Gang mit dem Steinboden riss Sofi das Herz aus der Brust. In ihren Ohren hallte er noch lange danach. Das laute Schellen in ihren Ohren weckte sie und ließ sie mechanisch nach einem Lichtschalter tasten. Es überdeckte alle anderen Geräusche. Als das Licht ihr in die Augen stach, zuckte sie zusammen. Barbro stand. Sie stand in Rot und Gelb an die Wand gelehnt. Ihr Stehen war unnatürlich aufgerichtet. Barbro starrte mit aufgerissenen Augen in ihre Richtung. Vor ihr lag Sundman. Nein, er lag nicht, sein Kopf war in Barbros Schoß gebettet, sein Kreuz durchgebogen. Als hätte sie die beiden bei etwas Schlüpfrigem erwischt.
Der Gang dauerte ewig. Barbro rührte sich nicht, gab Sofi kein befreiendes Zeichen. Auf ihrem Bauch troff ein großer roter Fleck in Form einer Raute. Er zog sich von ihrem Busen bis hinunter in ihren Schoß. Barbro lebte, ihre Augen waren nicht tot. Sofi erkannte es auf den letzten Metern. Neben ihrem Kopf war die Holzverkleidung der Wand zersplitt ert. Sie zog den tolen Körper von ihr weg. Er fiel in sich zusammen. Barbro stöhnte laut auf, befreite sich so aus ihrer Starre. Sofi dachte an das Eintauchen in ein warmes Schaumbad. Barbros Jacke war geöffnet. Der Fleck saß auf dem weißen Oberteil darunter. Sofi riss es hoch. Der nackte Bauch war unversehrt.
Barbro seufzte: »Sofi.«
Aber Sofi hörte nur das Schellen in ihrem Kopf.
69
Henning und Kjell folgt en dem Licht. Die Frauen saßen wie kleine Mädchen auf dem Boden und hatten den Rücken an die Wand gel ehnt. Das Ende des Ganges war rot gesprenkelt. Sie kicher ten, verstummten aber, als sie ihre Kol le gen bemerk ten. Jeder von ihnen nahm eine der beiden auf. Ihre Körper hingen schlaff in ihren Armen. Sie trugen sie die Treppe hinauf. Kjell trug Sofi, die leichter war als Barbro. Er fühlte keine Aufregung mehr. Nur dass er sie so mühelos tragen konnte, ließ ihn daran denken, dass ein Körper voller Adrenalin sein musste.
»Morgen ist Lucia«, flüsterte Sofi mitten auf der Treppe.
»Ja, Sofi.«
»Ich bin die Lucia«, lachte Sofi.
Sie lächelte zufrieden. Vorhin musste sie geweint haben. Er glaubte, dass sie die Antwort nicht gehört hatte, obwohl ihr Gesicht ganz nah war.
»Hörst du mich?«
Sie nickte.
Das Haus war jetzt voller Polizisten in Uniform. Man fand Fohlin in unveränderter Lage in der Küche. Sofi und Barbro wurden sofort zu ei nem Wa gen gebracht. Ein Not arzt fahrzeug traf ein. Barbro war unverletzt. Der Arzt stellte fest, dass Sofis Kiefer nur geprellt war.
»Wir haben Befehl vom Justizminister, sofort mit Sofi ins Präsidium zu rück zu kehren«, be richtete Hen ning.
»Der Jus tiz mi nis ter kann uns alle mal!«, lachte Bar bro. »Lasst mich mit ihm reden!«
»Fahr du mit ihr«, sagte Kjell zu Henning. »Ich muss mich um Fohlin kümmern.«
Der Wagen steuerte das andere Ende des Gebäudekomplexes an und hielt vor dem Rathaus. Zwei Säpo-Leute empfingen sie und führ ten sie durch das Rat haus den Per sonaltunnel hindurch ins Präsidium. Sie wurden direkt in das Büro von Kullgren bei der Säpo gebracht.
Kullgren betrachtete Sofis Gesicht mit sorgenvollem Blick.
»Der Staatsmi nister spricht soe ben mit dem ägypti schen Präsidenten. Der Geheimdienst hat die Ägypter gefunden. Sofi muss sie identifizieren.«
»Nein«, rief Sofi und versuchte sich von dem Stuhl zu erheben, auf den man sie bugsiert hatte, aber alle drückten sie nach unten.
An der Wand hing ein breit er Flachbildschirm. Darauf erschien nun das Gesicht eines Mannes. Sofi kauerte auf ihrem Stuhl. Der Mann am anderen Ende der Videoschalt ung war wohl der Chef des ägypti schen Geheimdienstes. Er sprach mit Kullgren. Sie sprachen englisch, und sie sprachen über Sofi.
»Sofi!« Kullgren redete eindringlich auf sie ein. »Sieh zum Bildschirm. Sie haben die Leute am Nachmittag verhaftet und müssen wissen, ob sie es waren. Erkennst du dort jemanden?«
Sofi bewegte den Kopf in die Richtung und erkannte ein Gruppenbild. Mindestens ein
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