Der Zweite Tod
nicht dort? In Norrtälje? Sie hat doch mit dieser ehemaligen Studentin gesprochen. Hier! Kajsa Björklund. Sie hatte damals ein Verhältnis mit Pe ters son.«
»Ich fahre mit Mari hoch. Vielleicht finden wir das Haus.«
»Fang am besten bei Kajsa an. Vielleicht ist es dort.« »Kannst du dich nach dieser Firma erkundigen?« »Wenn die wirklich mit S beginnt, sehen wir alt aus. Das steht bestimmt für ›schwedisch‹.«
44
Sofi beobachtete Linda, die in ihrem Sitz zusammengekauert auf Albanien blickte. Sie hatten beide das Essen abgelehnt. Mit Mühe hatte sie ein Glas Wasser herunterbekommen. Was hätte sie nur tun sollen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre?
Linda bewegte sich. Sie kramte in der Hosentasche nach einem Taschentuch. Erst jetzt sah Sofi, dass Lindas Gesicht verweint war. Es tat Sofi ja leid, aber es reichte nicht zu dem Entschluss, es ihr durch ein Wort oder eine Geste zu zeigen. Sie empfand einfach überhaupt nichts. Nicht mal einen Kater hatte sie. Nur die Übel keit kam in un re gel mä ßigen Schüben, und sie konnte kaum sitzen. Sie hatte auch keine Gedanken.
Irgendwie gelang es ihr, den Arm um Linda zu legen. Das tat Linda gut. Sie blickte sie mit offenen Augen an und hörte auf zu weinen. Sie hatte anscheinend verstanden, dass sie Sofi keine Fragen stellen durfte. Nur ganz zaghaft entstanden die Fragen in ihrem eigenen Kopf, ohne dass sie Lust verspürte, zu sehr nach einer Antwort zu suchen. Auf welche Frau hatten diese Leute es ei gent lich abgesehen? Mari? Die mussten sie mit Mari verwechselt haben. Mari war im Präsidium in Arrest, ihr konnte nichts passieren. Und wer war »der Schwede«? Petersson? Das konnte sie sich nur schwer vorstellen. Er war zu lange tot. »Der Schwede« musste sie verraten haben. Die Männer letzte Nacht konnten die Adresse in Maadi nicht gekannt haben, sonst hätten sie das Geld selbst abhol en können. »Der Schwede« hatte diese Leute auf sie, Sofi, angesetzt.
Vorhin hatte sie kurz an William gedacht. Aber nicht lange. Sie wusste wohl, wie schlimm es war, dass sein Schicksal ihr egal war, aber daran war nichts zu ändern. Erst auf dem Rückweg hatte sie sich zu wundern begonnen, dass man sie gehen ließ, obwohl sie nur die Hälfte des Geldes gebracht hatte. Die Antwort konnte nur sein, dass sie den anderen Teil bereits hatten. Aber was war aus William geworden? Vielleicht hatten sie auch keine Ahnung, wie viel Geld in dem Rucksack gewesen war.
Ob Mari in Gefahr war?
45
Kjell und Mari fuhren auf der E18 nach Norden. Er hätte es komisch gefunden, in ih rer Gegenwart Radio zu hören. Da her gab es nur die Geräusche des Motors. Am Morgen hatte eisiger Wind jeden längeren Aufenthalt im Freien unerträglich gemacht. Inzwischen war es Mittag, er würde jede Wette eingehen, dass es vor dem Abend wieder schneien würde. Die Straßenbedingungen verschlechterten sich, nachdem sie um ein Uhr Norrtälje hinter sich ließen. Er fuhr mit ihr in das kleine Södersvik, aber Mari war sich sofort sicher, dass sie hier noch nie gewesen war. Sie schien ihm jetzt sehr aufmerksam zu sein und vieles wiederzuerkennen. Mit der Hoffnung, vielleicht doch die richtige Stelle zu finden, hob sich seine Stimmung. Sie fuhren von Södersvik, das isoliert auf einer Landzunge lag, zurück bis Norrtälje. Wenn sie eine neue Richtung ausprobieren wollten, mussten sie durch die Stadt. Kjell schaltete doch noch das Radio ein.
»Da!«, rief Mari und deutete auf das Wegweiserschild. »Arholma. Da ist es gewesen!«
Sie durchquerten die Stadt und folgten der Landstraße nach Arholma.
»Lag es auf der Insel?«
»Nein, nein, noch auf dem Festland. Aber in der Nähe ging die Fähre.«
Mari war jetzt sehr aufgeregt und hatte Mühe, die durch den Schnee veränderte Landschaft wiederzuerkennen. Der Boden war dort, wo er nicht felsig war, aufgeweicht und lehmig. Nach einer Stunde fanden sie das Haus, ein kleines fal urotes Holzhaus, das sich nur in der Lage von den anderen unterschied. Es gab mindestens ein Dutzend davon.
Sie mussten den Wagen an der Straße stehenlassen. Kjell entdeckte eine Loipe, die von der Straße aus an den Grundstücken vorbeiführte. Der Wind hatte die Spuren schon stark verweht. Anscheinend kam hier zu dieser Jahreszeit kaum ein Mensch vorbei. Als er näher herantrat, entdeckte er den eingesackten Streifen in der Schneedecke. Darunter musste ein Weg liegen. Sie stapften hundert Meter durch den knietiefen Schnee bis zum Haus. Der Meereswind hatte ihn so verweht, dass man
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