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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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hob.
    »Werden wir die Nacht hier draußen verbringen?«, fragte Gellir, während sie alle sich in einer überdachten Nische aneinanderrückten. Sie wagten nicht, ein Feuer zu entzünden, an dem sie sich hätten wärmen können. Solange nicht geklärt war, ob sich Nordlinge in den Ruinen aufhielten, durften sie durch nichts Aufmerksamkeit erregen.
    »Haben wir eine andere Wahl?«, erwiderte Grimma auf Gellirs Frage. »Außerdem ist es in der Arena auch nicht wärmer.« Sie fühlte sich selbst nicht wohl bei dem Gedanken, in der untergegangenen Stadt zu übernachten. Andererseits gab es nirgends einen besseren Platz. Immerhin hatten sie hier ein Dach über dem Kopf, das sie vor neuen Schneefällen schützte.
    »Wenn die Nordlinge wirklich in der Nähe sind, müsste es dann nicht Hütten geben?«, fragte einer der Krieger. »Sie schlafen doch kaum ein Leben lang unter freiem Himmel.«
    Grimma nickte. »Morgen Früh werden wir als Erstes versuchen, den Aussichtsturm zu besteigen. Vielleicht sieht man von dort oben mehr.«
    Bollis zog sich sein Fell enger um die Schultern. »Ich bin dafür, dass wir es heute noch versuchen. Sicher entzünden die Nordlinge Feuer. Wir könnten vom Turm aus nach Rauch suchen, der zwischen den Ruinen aufsteigt.«
    »Wir würden den Turm vor Sonnenuntergang nicht mehr erreichen«, entgegnete Grimma.
    »Nicht alle zusammen«, sagte Bollis, »aber wenn zwei von uns, die Schnellsten, loslaufen, könnten sie noch rechtzeitig dort sein.«
    Grimma wusste, worauf er hinauswollte. Bollis und sie selbst liefen schneller als jeder andere. Gewiss hatte er recht: Sie konnten es schaffen. Vorausgesetzt, sie zögerte den Entschluss nicht länger hinaus.
    »Nun gut.« Sie stand auf. »Egil, du führst unterdessen den Befehl. Sollten Bollis und ich im Morgengrauen nicht wieder bei euch sein, bringst du die anderen zur Arena. Kehrt zurück zum Hohlen Berg und berichtet Thorhâl, was wir gefunden haben. Soll er die Entscheidung treffen, was zu tun ist.«
    Wenig später waren sie und Bollis unterwegs. Mit weiten Sätzen liefen sie durch die Ruinen, in jene Richtung, in der oberhalb von Mauerresten und Felskanten der schlanke Aussichtsturm emporstach. Sein schwarzer Umriss stand da wie eine Säule, die den graublauen Himmel stützte. Die Sonne war zur Hälfte hinter den spitzen Graten der Berge versunken, ihre verbleibenden Strahlen weckten die Nachtschatten aus ihrem Schlaf. Dunkelheit stieg vom Boden auf wie schwarzer Dunst.
    Sie brauchten länger, als sie vermutet hatten, bis sie endlich, völlig außer Atem, den Fuß des Turmes erreichten. Sein Eingang wurde nahezu gänzlich von einem Granitbrocken versperrt, und nur mit Mühe gelang es Grimma und Bollis, sich durch den engen Spalt ins Innere zu zwängen. Dort erwartete sie die nächste Enttäuschung: Der untere Teil der Wendeltreppe, die an den Wänden nach oben führte, war eingestürzt – ein Trümmerstück, das geradewegs von oben in den Turm gefallen war, hatte die Aussichtsplattform zerstört und bei seinem Fall in die Tiefe einen Teil der Stufen mit sich gerissen.
    »Wir können es trotzdem schaffen«, munterte Grimma den enttäuschten Bollis auf und deutete auf die Fensternischen, die in regelmäßigen Abständen den Verlauf der Wendeltreppe unterbrachen. »Die obere Plattform mag zerstört sein, aber wenn es uns gelingt, irgendwie auf die Treppe zu kommen, können wir aus einem der oberen Fenster schauen.«
    Bald hatten sie eine Möglichkeit gefunden, sich über eine Trümmerrampe zur untersten der heilgebliebenen Stufen hinaufzuhangeln. Jenseits des Lochs, das der Felsbrocken in den oberen Teil des Turmes gerissen hatte, färbte sich der Himmel dunkel. Sie mussten sich beeilen.
    Vorsichtig kletterten sie die Treppe hinauf, immer in der Angst, das mürbe Gestein könnte unter ihnen zusammenbrechen. Sie gelangten zum ersten Fenster, dann zum zweiten und stiegen ohne Pause weiter nach oben. Das fünfte und letzte Fenster befand sich nur ein kleines Stück unterhalb der ehemaligen Turmplattform. Grimma beugte sich hinaus, so weit, dass Bollis sie von hinten festhalten musste. Es gelang ihr, einen Großteil der Stadt zu überblicken. Als Erstes schaute sie zurück zur Arena. Auf dem Rundgang der Außenmauer war niemand zu erkennen. Die Zurückgebliebenen mussten sich ins Innere zurückgezogen haben. Sie schaute weiter in die Runde, über die zerfallenen Ruinen hinweg. Sie versuchte den Ort auszumachen, an dem sie den Rest des Spähtrupps

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