Der Zypressengarten
entlang durch den Sonnenschein, während der Wind mit Marinas langem Haar spielte. Nach einer Weile hörten sie auf zu reden. Gelegentlich lächelte Marina ihm zu, und er grinste sie liebevoll an. In diesen Momenten vergaß sie Clementine, das Hotel, ihre wachsenden Schulden und die bevorstehende Ankunft von Charles Reuben. Bei Harvey fühlte sie, wie das Gewicht der Verantwortung leichter wurde, als würde er es für sie schultern.
Clementine war wütend auf Sylvia, die sie absichtlich um das Treffen mit Rafa gebracht hatte. Doch ausnahmsweise beschloss sie, keine Szene zu machen. Sie war enttäuscht von ihr, denn sie hatte gedacht, dass sie Freundinnen wären, aber im Grunde überraschte es sie nicht. Sylvia war mannstoll, und ihre Freundschaft galt nichts, wenn sie eine neue Eroberung ins Visier genommen hatte.
Sie kam früh zur Arbeit, weil sie nicht länger als nötig neben Joe liegen wollte. Er hatte anscheinend nichts, wofür sich das Aufstehen lohnte. Ihren Kaffee trank Clementine am Schreibtisch.
Sie hatte sich das Haar hochgesteckt und ihr Kostüm angezogen, allerdings ein Sommerkleid von Jack Wills sowie eine Strickjacke und Flip-Flops für später mitgebracht. Allein der Gedanke daran, den Abend mit Rafa zu verbringen, brachte ihren Magen in Unordnung. Sie hatte keinen Appetit und konnte kaum still sitzen.
Sylvia erschien und sah zerknirscht aus. Statt selbstbewusst auf ihren Schreibtisch zuzusteuern, schlurfte sie unsicher hinein.
»Ich fühle mich schrecklich«, kam sie ohne Umschweife auf den Punkt. »Letzte Nacht habe ich kein Auge zugetan.«
»Warum?«, fragte Clementine.
»Warum? Weil ich eine blöde Nuss war, darum. Mir gefällt kein bisschen, wie ich mich gestern benommen habe, und es tut mir ehrlich leid.«
»Ist okay, Sylvia. Ich verstehe, wieso du das gemacht hast.«
Sylvia staunte. »Im Ernst? Und du bist nicht stinksauer auf mich?«
»Nein, überhaupt nicht.« Clementines Glück stimmte sie ungewöhnlich milde. »Ich war sowieso mit Joe zusammen, also hätte ich gar nicht mitkommen können.«
»Klar, aber ich hätte es dir sagen müssen. Er ist dein Freund, nicht meiner.«
»Er ist jedermanns Freund, Sylvia.«
»Nein, ich glaube, er mag dich lieber als andere. Sein Gesicht leuchtete richtig, wenn er über dich geredet hat.«
»Echt?«
»Echt.«
»Ach was, so ist er bei jedem. Da darf man sich keine Illusionen machen.« Dennoch erlaubte sie sich einen wohligen Schauer, auch wenn sie sicher war, dass Sylvia falsch lag.
Mr Atwood kam erst am frühen Nachmittag von einem Meeting in Exeter. Die Briefe, die Clementine für ihn tippen sollte, lagen in der Unterschriftenmappe auf seinem Schreibtisch, zusammen mit einer sauber getippten Liste der Nachrichten für ihn. Clementine brachte ihm eine Tasse Kaffee. Mr Atwood lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, kaute auf seinem Stift und betrachtete sie nachdenklich.
»Sie mausern sich zu einer ziemlich guten Sekretärin, Clementine. Ich bin beeindruckt.«
»Danke, Mr Atwood.«
»Erlauben Sie die Frage, was die plötzliche Wandlung herbeigeführt hat?«
»Für die gibt es keinen Grund. Mir macht es tatsächlich Spaß.«
»Schön. Das Kostüm steht Ihnen.«
Clementine bemerkte ein anzügliches Funkeln in seinen Augen und wich einen Schritt zurück. »Danke.«
»Sie sind ein hübsches Mädchen, Clementine.«
»Ist sonst noch etwas, Mr Atwood? Denn falls nicht, würde ich wieder an meinen Schreibtisch gehen.«
»Ja, ja, natürlich. Lassen Sie sich nicht von mir abhalten.« Er lachte kurz, um ihr zu bedeuten, dass seine Komplimente nicht zweideutig gemeint waren. »Mir gefällt es, wenn meine Sekretärin gerne an ihrem Schreibtisch ist.«
Im Hotel saß Bertha mit Heather am Küchentisch und umklammerte ihren Kaffeebecher mit beiden Händen.
»Ich glaube, der Brigadier hat sich in Mrs Meister verguckt«, sagte Heather. »Ich habe die beiden beobachtet. Sie sitzen immer zusammen, und er hat sie gefragt, ob sie heute Abend mit ihm einen Spaziergang macht. Auch wenn ich mich schäme, dass ich gelauscht habe, konnte ich nicht anders. Das ist doch irgendwie süß, nicht?«
»Und immer, immer wieder geht die Sonne auf«, trällerte Bertha schief.
»Mir hat er immer leidgetan, wie er jeden Morgen alleine hier raufkommt zum Frühstück. Ohne eine Frau, die zu Hause auf ihn wartet. Jetzt strahlt er die ganze Zeit, und das finde ich süß.«
»Welche von denen ist Mrs Meister?«
»Die kleine Verhuschte.«
»Ach du Schande. Ist der
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