Der Zypressengarten
Fingerspitzen darauf. »Ich habe schon oft versucht, es mir abzugewöhnen, aber dazu braucht man anscheinend mehr als Willenskraft.«
»Und was?«
»Liebe«, sagte sie prompt und fixierte ihn mit ihren Katzenaugen. »Wäre ich wahnsinnig in einen Nichtraucher verliebt, würde ich für ihn aufhören.«
»Ich würde eher sagen, dass du für dich aufhören solltest.«
»Hab ich versucht und bin elendig gescheitert.« Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die scharlachroten Lippen und zündete sie an dem Teelicht in dem dekorativen lila Glas an. Rafa beobachtete, wie sie mehrmals paffte, ehe sie sich zurücklehnte und das Nikotin sie merklich entspannte.
Jake beschloss, ihre Bestellung selbst aufzunehmen. Ihm gefiel Sylvias Typ: kurvig und feminin wie eine hübsche rote Katze. Er hatte sie schon ein oder zwei Mal hier oben gesehen, und sie hatte seine Begrüßung mit einem knappen »Hallo« beantwortet. Jetzt hingegen warf sie ihm ein strahlendes Lächeln zu, während Rafa einen Martini und ein Glas Chardonnay bestellte. Gleich darauf richtete sie ihre leuchtend grünen Augen wieder auf den Argentinier und blies provokativ eine Rauchfahne aus.
Jake zog sich nach drinnen zurück. Vor Eifersucht krampfte sich sein Magen zusammen. Solange Rafa im Hotel wohnte, hatte Jake nicht den Hauch einer Chance. Er gab ihre Bestellung an den Kellner weiter, blieb allerdings noch eine Weile stehen, um Sylvia von drinnen zu beobachten.
»Übrigens hat Clemmie mir viel von dir erzählt?«, sagte Sylvia, bevor sie einen Schluck von ihrem Wein trank.
»Hat sie?«
»Ja, sie schwebte praktisch ins Büro, nachdem sie dich im Black Bean Coffee Shop gesehen hatte. Im Grunde ist sie noch ein Kind. Und ich bin wie eine Mutter für sie.«
»Es war ein verrückter Zufall, dass wir uns dort getroffen haben.« Die Erinnerung entlockte ihm ein Lächeln, und Sylvia bemerkte, wie es in seinen Augen blitzte. »Sie ist ungewöhnlich. Das gefällt mir. In Argentinien nennen wir solche Menschen una personaje. Also, verrate mir, ist ihr Freund gut genug für sie?«
»Unbedingt«, antwortete Sylvia voller Überzeugung. »Die beiden passen prima zusammen.«
»Ihre Stiefmutter scheint das nicht zu finden«, sagte Rafa.
»Nur weil die beiden sich dauernd in den Haaren liegen. Clemmie hält sie für eine hysterische Kuh, die immerzu im Mittelpunkt stehen muss. Ich schätze, es liegt daran, dass sie keine Kinder kriegen kann. Manche Frauen flippen ein bisschen aus, wenn sie ungewollt kinderlos bleiben.«
»Wie lange kennst du Marina schon?«
»Eigentlich kenne ich sie nur von dem, was Clemmie erzählt, sonst nicht. Soweit ich es mitbekommen habe, ist das Problem, dass sie aus einer anderen Schicht kommt als Grey, und das stört Clemmie. Übrigens ein sehr unangenehmer englischer Zug, diese Klassenbesessenheit. So was gibt es in Argentinien bestimmt nicht.«
»Glaub mir, Vorurteile gibt es überall.«
»Na ja, Clemmie jedenfalls denkt, dass Submarine – ich meine, Marina – sich nur auf Grey eingeschossen hat, weil sie einen besseren gesellschaftlichen Status wollte. Ich glaube, die beiden haben sich einfach verliebt. Es ist ja nicht so, als wenn sie mit dem Adel so dicke sind. Aber Kinder mögen ihre Stiefeltern eben nie, egal wie sehr die sich verrenken. Bestimmt hat Marina es bis zum Gehtnichtmehr versucht. Tja, Clemmie ist sehr stur.«
Rafa hörte ihr aufmerksam zu, und sein Blick war fast ein wenig zu ernst und eindringlich. »Diese Klassengeschichte, gründet die auf Abstammung oder Bildung?«
»Beides zusammen. Ich nehme an, dass Marina aus einer Arbeiterfamilie oder der unteren Mittelschicht kommt. Sie war garantiert auf keiner Privatschule. Das weiß ich, denn ich war auch auf keiner.«
»Kennst du ihre Eltern?«
Sylvia schüttelte den Kopf. »Nein, und die kennt Clemmie auch nicht. Wenn du mich fragst, hält Marina ihre Verwandtschaft unter Verschluss.«
»Du meinst, sie schämt sich für sie?«
»Möglich.« Sie lachte. »Ich glaube, die waren nicht mal bei der Hochzeit. Clemmie hat erzählt, dass sie auf dem Standesamt geheiratet haben, sowie die Scheidung durch war. Für zwei verliebte Leute ist das nicht sonderlich romantisch, was?«
»Manche Leute wollen kein großes Aufheben machen.«
»Clemmie sagt, Marina liebt es, um alles ein Riesentamtam zu machen, Hauptsache, sie steht im Mittelpunkt.« Sie senkte die Stimme, weil ihr plötzlich bewusst wurde, dass man sie belauschen könnte. »Ich könnte mir eher denken, dass sie
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