Der Zypressengarten
Clementine.
»Sehr gut. Komm mit, Kleiner, bringen wir dich nach Hause.«
Der Hund trank von dem Wasser und fraß die restlichen Sandwiches. Er musste sehr hungrig und durstig gewesen sein.
»Übrigens hasst Marina Hunde«, sagte Clementine.
»Wie kann jemand Hunde hassen?«
»Weiß ich nicht. Tut sie eben.«
»Darüber denken wir später nach. Erst mal müssen wir ihn trocken bekommen, und dann reden wir mit ihr. Du kannst ihn ja schlecht mit zur Arbeit nehmen, also wird sie ihn im Hotel dulden müssen.«
»Sie wird darauf bestehen, dass du ihn ins Tierheim bringst.«
»Dieser Hund bleibt bei mir. Es ist Schicksal, begreifst du nicht? Wir sollten ihn finden.« Er grinste ihr zu. »Es ist meine Entscheidung, ihn zu behalten.«
Sie erwiderte sein Lächeln und genoss es, dass sie beide dieses Erlebnis teilten. »Dann ist es auch meine.«
So zogen sich ihre Sachen über die nasse Unterwäsche und bibberten den ganzen Weg hinauf zum Wagen. Rafa hatte angeboten, Clementine zu tragen, doch das lehnte sie mit der Begründung ab, dass sie sich um den Hund kümmern mussten. Hügelabwärts mit ihr auf dem Rücken zu gehen war eines, hügelaufwärts etwas ganz anderes. Außerdem war ihr egal, wie übel ihre Beine zerkratzt wurden, solange ihr die Schmach erspart blieb, dass Rafa sie auf halbem Weg absetzen musste, weil sie zu schwer war.
Oben hoben sie den Hund auf die Rückbank des Wagens, wo er wie ein nasser Mopp lag. Kurz nachdem sie losgefahren waren, hatte ihn das Brummen des Motors in den Schlaf gelullt.
Trotz aufgedrehter Heizung im Wagen, zitterten Clementine und Rafa noch, als sie im Polzanze ankamen. Sie waren vollständig ausgekühlt.
»Lass mich mit Marina reden«, schlug Rafa vor, als er auf den Parkplatz fuhr.
»Meinetwegen sehr gerne«, sagte Clementine, die nervös auf ihrer Unterlippe nagte. »Ich hoffe, wir dürfen ihn behalten.«
»Wir behalten ihn, keine Sorge.«
»Ich gehe ein paar alte Handtücher und eine Decke holen.«
»Hast du noch Sachen hier, dass du dich umziehen kannst?«
»Ich leihe mir Dads Bademantel.« Tom kam aus dem Hotel und glotzte sie verwundert an. »Tom, kannst du bitte bei dem Hund bleiben? Ich laufe schnell ein paar Handtücher holen.«
»Hund?«
»Ja, wir haben einen Hund gefunden, der in einer Höhle in den Klippen vertäut war. Er sollte offensichtlich ertrinken. Wir sind hingeschwommen und haben ihn rausgeholt. Jetzt schläft er hinten im Auto. Armes Ding.«
Tom schüttelte den Kopf. »O-oh, du weißt, was die Chefin von Hunden hält.«
»Das ist was anderes. Das Tier ist völlig verängstigt und hat keinen, der sich um ihn kümmert.«
»Wo ist Marina?«, fragte Rafa.
»Im Wintergarten mit dem Brigadier und den Damen.«
»Gut. Ich ziehe mir was Trockenes an und rede mit ihr.«
»Viel Glück«, sagte Clementine.
»Da braucht ihr mehr als Glück«, ergänzte Tom.
Kurze Zeit später kam Clementine aus dem Stallblock. Sie war in Greys Bademantel und Hausschuhen und mit alten Handtüchern und Decken beladen. Rafa, in einer sauberen Jeans und einem Pullover, trat gerade mit Marina zusammen aus dem Hotel. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er ihr noch nichts gesagt. Clementine blickte hinten in den Wagen. Der Hund schlief. Er sah sehr niedlich aus. Vom Salzwasser war sein braunes Fell gekräuselt, und sein kleiner Bauch hob und senkte sich unter seinen Atemzügen. Wie konnte irgendjemand eine solch hilflose Kreatur ablehnen?
»Und was ist die Überraschung?«, fragte Marina, die sich dem Auto näherte.
Tom wich verängstigt einige Schritte zurück, blieb allerdings nahe genug, um nichts zu verpassen.
»Wir haben einen Hund gerettet«, sagte Rafa gelassen. »Er war in einer Höhle angebunden, wo er ertrinken sollte. Clementine und ich sind zu ihm geschwommen und haben ihn rausgeholt.«
Blankes Entsetzen spiegelte sich in Marinas Gesicht. »Ein Hund?«
»Ja, ist er nicht süß? Er schläft jetzt. Der Kleine hatte schreckliche Angst.« Rafa versuchte eindeutig, an ihr Mitgefühl zu appellieren.
Sie schaute in den Wagen, wobei sie nervös die Hände rang. »Ihr wisst, dass ich keine Hunde im Hotel dulde«, sagte sie. Doch Rafa spürte ihre Schwäche und gab nicht auf.
»Er wäre elendig ertrunken. Es ist unsere Pflicht, uns um ihn zu kümmern. Er ist sehr jung, fast noch ein Welpe. Wir können ihn nicht weggeben.«
Marina starrte ihn an. Die Angst in ihren Augen erschreckte sie alle. Und auf einmal fühlte Clementine einen stechenden Schmerz in
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