Der Zypressengarten
Hochmut, die faszinierend war.
»Stört es Sie, wenn ich rauche?«
Marina hasste Zigaretten und war ein bisschen enttäuscht. Aber Elizabeth hatte so höflich gefragt und einen solch vornehmen Akzent, dass Marina es nicht gegen sie verwenden wollte. Niemand war vollkommen.
Elizabeth griff in ihre Tasche und wühlte nach ihren Zigaretten und dem Feuerzeug. Das dauerte eine Weile, in der Marina einen Kräutertee für ihren Gast und einen Fruchtsaft für sich selbst bestellte. Endlich tauchten Elizabeths lange Finger mit einer Schachtel Marlboro Lights wieder auf, von denen sie sich eine zwischen die schmalen Lippen steckte und sich mit dem Rücken zum Wind drehte, um sie anzuzünden.
»Sie haben hier ein wunderschönes Fleckchen, Marina«, sagte sie und blies den Rauch aus dem Mundwinkel. »Es ist richtig inspirierend, das Meer zu sehen.«
»Ich habe immer am Meer gelebt«, antwortete Marina, die zum glitzernden Wasser sah. »Es war stets eine verlässliche Konstante in meinem Leben.«
»Ja, es tut der Seele gut. Ich reiste früher mal mit einem bekannten Schauspieler – die Diskretion verbietet mir, seinen Namen zu nennen –, der am Meer meditiert. Ich schätze, ich war so etwas wie seine Begleitkünstlerin. Und er war meine Inspiration. Ich habe auch versucht, zu meditieren, aber mein Kopf ist viel zu rastlos. Ich kann meine Gedanken einfach nicht abschalten.«
»Reisen Sie viel bei Ihrer Arbeit?«
»Immerzu. Ich habe schon Könige, Königinnen und Prinzen durch die ganze Welt begleitet. Ein wahres Glück, wirklich.«
Marina bekam ein ungutes Gefühl. Sogar sie war realistisch genug, zu erkennen, dass die Stelle als Hauskünstlerin im Polzanze nicht der Traumjob schlechthin war. Falls Elizabeth Pembridge-Hughes gewöhnlich für Könige malte, wollte sie sicher nicht den Sommer in Dawcomb-Devlish alten Damen gegen Kost und Logis Malen beibringen. »Wie faszinierend, Elizabeth. Erzählen Sie mir, für welche Königshäuser Sie gemalt haben? Ich würde zu gerne Ihre Geschichten hören.«
Elizabeth schürzte die Lippen. »Nun, das ist der springende Punkt. Genießt man das Privileg, auf ihre Fernreisen eingeladen zu werden, muss man zusichern, absolutes Stillschweigen zu wahren. Das verstehen Sie sicher, nicht?« Sie lachte rauchig durch die Nase. »Vielleicht verrate ich Ihnen das eine oder andere Kleinod, wenn wir uns besser kennen.«
»Natürlich.« Allerdings bezweifelte Marina, dass sie irgendwelche Kleinode zu erzählen hatte.
Als sie gerade jede Zuversicht verlor, trat Grey heraus auf die Terrasse. »Ah, mein Mann«, sagte sie und lächelte ihm zu.
Elizabeth musterte seine breiten Schultern, sein dichtes, lockiges Haar und sein kluges Gesicht und stellte fest, dass er unglaublich attraktiv war. Ein Intellektueller, keine Frage, und aus besserem Hause, das sah man sofort. »Sehr erfreut«, sagte sie und reichte ihm ihre Hand.
»Ich dachte, ich geselle mich ein wenig dazu«, erwiderte er und schüttelte ihr die Hand. Ihr schwacher Händedruck und die kalten, dünnen Finger fielen ihm gleich auf. »Ist es Ihnen hier draußen warm genug?«
»Absolut«, antwortete sie. Grey zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Ein Kellner eilte in die Küche, um ihm einen Kaffee zu holen. »Wir sagten gerade, wie reizend es ist, das Meer zu sehen.«
»Dem stimme ich zu. Die Aussicht ist grandios.«
»Ich würde sie zu gerne malen.«
»Na, das sollen Sie ja vielleicht auch«, sagte er. Dann bemerkte er den Blick seiner Frau und kam zu dem Schluss, dass Elizabeth Pembridge-Hughes wohl nicht wiederkam, um irgendetwas zu malen.
»Also, was genau beinhaltet die Stelle des Artist-in-residence?«
Marina spürte das vertraute Ziehen in ihrem Bauch: ein inneres Frühwarnsystem, das sie nie täuschte. Sie wollte Elizabeth Pembridge-Hughes nicht in ihrem Hotel, wo sie den ganzen Sommer über mit berühmten Namen um sich werfen würde. Und wieder einmal musste sie die übliche Routine durchlaufen, um nicht unhöflich zu sein. »Im letzten Jahr luden wir einen charmanten Herrn ein, der für drei Monate bei uns wohnte und den Hotelgästen Malunterricht gab. Es ist mal was anderes, das ich unseren Gästen bieten möchte.«
»Was für eine brillante Idee – und solch eine entzückende Umgebung zum Malen!«
»Ja, ist es. Letzten Sommer brachte Paul uns allen das Malen bei.«
»Ihnen auch?«
Diese Frage richtete sie direkt an Grey.
»Mir nicht, nein. Ich bin kein Künstler. Marina hat es versucht, nicht wahr,
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