Derrick Storm 3: A Bloody Storm - Vom Sturm getrieben (German Edition)
Betäubungsmittel verursachten Benommenheit hatte sie vergessen, dass sie sich noch von ihrer Schussverletzung erholen musste. Sie tastete ihre Schulter ab. Jemand hatte einen frischen Verband angelegt. Ihr rechter Arm hing schlaff an ihrer Seite herab. Zwar konnte sie ihn bewegen, aber nur unter großen Schmerzen und auch nur eingeschränkt. Sie trug noch immer dasselbe T-Shirt und dieselbe Jeans, die sie bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus getragen hatte. Nur ihre Baseballkappe war nicht mehr da. Auch die Armschlinge hing noch um ihren Hals. Mit ihrer linken Hand zog sie ihr rechtes Handgelenk hindurch. Das fühlte sich schon besser an.
Dann benutzte Showers ihre linke Hand, um sich aufzurichten. Sie hatte auf einer dünnen blutbefleckten Matratze gelegen, die noch dazu nach Urin stank. Um ihren rechten Knöchel lag eine breite Lederfessel, die mit einer etwa einen halben Meter langen Kette verbunden war, die man im Fußboden verankert hatte. Wenn sie ein Messer oder irgendeinen scharfen Gegenstand gehabt hätte, hätte sie die Fessel vielleicht durchschneiden können, doch die Kette konnte sie unmöglich zerreißen. Es gab nur einen Zugang zur Kammer und die Tür war massiv. Fenster waren keine vorhanden. Eine Flucht würde ziemlich schwierig werden.
Sie zog ihre Knie an die Brust. Wann würden sie kommen? Sie hatte überhaupt kein Zeitgefühl, und das empfand sie als äußerst frustrierend. War es Nacht? War es Tag? Schliefen sie gerade?
Showers war nie eine wirklich geduldige Person gewesen, und nach ein paar Minuten, in denen sie ziellos nach den Fliegen schlug und sich fragte, was wohl als Nächstes geschehen würde, entschied sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Sie schrie, und ließ ihre unbändige Wut hinaus.
„Hier bin ich! Kommt endlich rein!“
Sie wartete und lauschte, doch es gab keine Reaktion. Nur Stille. Sie entschied sich, es noch mal zu versuchen.
„Hallo!“, rief sie. „Lasst uns anfangen!“
Immer noch keine Antwort.
Wie hätte sie auch wissen sollen, dass Hasan Sadikov nur wenige Meter von ihr entfernt war. Er saß mit dem Rücken zur Tür auf einem metallenen Klappstuhl direkt vor der Kammer und las.
Bücher waren Hasans Zuflucht. Er ignorierte Showers’ Rufe und konzentrierte sich stattdessen auf den Roman. Er wollte unbedingt noch dreißig Seiten lesen, bevor er eine Pause einlegen würde, um sie zu befragen. Das Warten war eine gute Sache. Er hatte so was schon viele Male getan und immer gemerkt, dass seinen Opfern die Ungewissheit zu schaffen machte. Die Vorstellungskraft war oftmals schlimmer als die Realität, besonders bei Leuten aus dem Westen. Sie schauten einfach zu viele Horrorfilme.
Außerdem verpasste Hasan Showers eine Lektion. Er wollte ihr zu verstehen geben, dass sie keine Kontrolle über ihre derzeitige Situation besaß. Sie war einzig seiner Gnade ausgeliefert.
In der Schlachtkammer war es ruhig geworden, als er mit dem Lesen fertig war, und so legte er sein Buch in die abgenutzte Tasche, die er bei sich trug. Jetzt war es Zeit, mit der Arbeit zu beginnen. Er stand auf, entriegelte die Tür, faltete seinen Stuhl zusammen, hob die Tasche auf und nahm beides mit in den Raum.
Als er eintrat, saß Showers noch immer mit angezogenen Knien da, das Gesicht dahinter vergraben. Schnell streckte sie die Beine aus.
„Ich denke, dass wir uns auf Englisch unterhalten sollten“, sagte er höflich. Er kam näher, klappte seinen Stuhl auf und nahm Platz. Hasan wirkte auf Showers komplett unauffällig. Er war ein Mann mittleren Alters und von durchschnittlicher Statur, mit einem Bauch, der ihm über den Gürtel hing. Er erinnerte sie an den Typ Mann, der mit dem Bus zur Arbeit fuhr oder mit seinen Kindern einkaufen ging. Er hätte jeder sein können.
„Ich bin in den Vereinigten Staaten gewesen“, erzählte er und lächelte. „New York, Washington D. C. und natürlich auch in Orlando. Waren Sie schon mal in Disneyland?“
„Disney World“, korrigierte sie ihn. „Disneyland ist in Anaheim, Kalifornien. Disney World ist in Orlando.“
Er fuhr mit der rechten Hand durch sein schwarzes Haar. Dann drehte er den Kopf von einer Seite auf die andere wie ein Boxer, der sich vor einem Kampf lockerte.
„Ich müsste mal auf die Toilette.“ Showers testete ihn.
Er hielt inne, überlegte einen Moment und erklärte dann: „Ich bin ein Mann, der mit sich reden lässt.“ Er rief etwas in den Flur hinaus und ein jüngerer Mann kam herein. „Bring uns einen
Weitere Kostenlose Bücher