Des Erdenmannes schwere Bürde
Planeten keinen Napoleon gibt – aber sie glauben mir einfach nicht! Verflucht sei dieser Bonaparte! Und mit ihm alle Geschichtsbücher!“
Er kehrte in den Gasthof „Zu Krone und Anker“ ein und bahnte sich einen Weg durch die lärmerfüllte Gaststube, in der hinter langen Tonpfeifen Hokas saßen, die mit saftigen Seemannsflüchen gewürzte, haarsträubende Geschichten über ihre erniedrigende Behandlung auf den Meeren zusammenlogen. Das Zimmer, das er gemietet hatte, war zwar sauber, aber die Möbel mußten angesichts eines Menschen, der doppelt so groß war wie der Durchschnittshoka, von Natur aus unzulänglich sein. Mit einem entsetzten Blick schaute Tanni von einer stümperhaft gedruckten Zeitung auf. Sie hatte, um ihn begleiten zu können, die Kinder in der Obhut des Mädchens zurückgelassen.
„Alex!“ rief sie aus. „Hör dir das an, Schatz! Sie werden jetzt gewalttätig und bringen sich gegenseitig um!“ Aus der Gazette las sie ihm vor: „Heute wurde auf dem Tynbury Hill der berüchtigte Straßenräuber Dick Turpin gehenkt …“
„Oh, das meinst du“, sagte Alex erleichtert. „Turpin wird jeden Donnerstag gehenkt. Es ist ein Riesenspaß für alle.“
„Aber …“
„Wußtest du das denn nicht? Man kann einem Hoka gar nicht weh tun, wenn man ihn aufknüpft. Ihre Halsmuskulatur ist – gemessen an ihrem geringen Körpergewicht – überproportional stark. Wenn Dick Turpin irgendwelche Nachteile davon hätte, würde die Polizei so etwas gar nicht zulassen. Sie sind sogar sehr stolz auf ihn.“
„Stolz?“
„Nun, immerhin ist er ein nicht unwichtiger Teil der Kultur, der sie so beharrlich nacheifern, nicht wahr?“ Alex nahm Platz und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Manchmal war er wirklich überrascht, daß es noch nicht grau geworden war.
„Mein armer Schatz“, sagte Tanni mitfühlend. „Wie war es denn?“ Sie waren erst heute von Mixumaxu nach Plymouth gekommen und sie war wegen des Grundes ihrer Reise immer noch ein wenig verwirrt.
„Ich kann mir absolut keinen Reim auf das machen, was ich von der Admiralität erfuhr“, erwiderte Alex. „Sie haben ununterbrochen von Napoleon Bonaparte gebrabbelt. Ich kann sie einfach nicht davon überzeugen, daß diese Piraten die wirkliche Gefahr darstellen.“
„Wie konnte es überhaupt dazu kommen, Liebling? Ich habe bisher angenommen, daß die kulturelle Einstufung der Hokas absolute Gewaltlosigkeit einschließt.“
„Oh, ja, ja … Aber irgendein Schwachkopf draußen im Weltraum hat erfahren, wie wild die Hokas auf irdische Literatur sind. Er hat es geschafft, ein paar historische Romane einzuschmuggeln. Und die Lebensgeschichten von Piraten. Auch das noch!“ Alex brachte ein bitteres Grinsen zustande. „Du kannst dir sicher vorstellen, wie der Gedanke, mit einem blutigen Entermesser in der Hand unter einer Totenkopfflagge durch die Weltmeere zu schippern, auf die Hokas einwirkt. Das erste, was mir zu Ohren kam, war, daß ein paar Dutzend Schiffsbesatzungen sich zu einem Piratendasein entschlossen haben und bereits die Gewässer unsicher machen, die sie zur spanischen Krone zählen – wo immer auf Toka das auch liegen mag. Bis jetzt hat es allerdings noch keine Zusammenstöße gegeben, aber es ist gut möglich, daß sie irgendwann einen Platz wie die von uns begründeten tokanischen Bermudas unter Feuer nehmen.“
„Handelt es sich um … Kriminelle?“ fragte Tanni mit sorgenzerfurchter Stirn. Dies von ihren kleinen Freunden anzunehmen, schien ihr nicht leicht zu fallen.
„Oh, nein“, sagte Alex. „Es sind eher … Unverantwortliche. Die machen sich gar keine Gedanken darüber, daß ihr Verhalten böses Blut hervorrufen kann. Später werden sie es selbst schrecklich bereuen. Aber für uns wäre es dann zu spät, Schatz.“ Alex sah bekümmert zu Boden. „Wenn die im Hauptquartier Wind davon bekommen, daß ich eine bewaffnete Auseinandersetzung nicht habe verhindern können, werden sie mich an die frische Luft und auf die Schwarze Liste setzen, was bedeutet, daß ich von hier bis zur kleinen Magellanschen Wolke keinen Job mehr finden würde. Mein einzige Chance besteht darin, diesen Unfug zu stoppen, bevor er ans Tageslicht kommt.“
„Oh, Liebling“, sagte Tanni unnötigerweise, „das würden die Leute auf der Erde nicht verstehen? Man sollte diesen Bürokraten zu Hause wirklich mal …“
„Ach, laß nur. Man muß schließlich eisenharte Gesetze haben, wenn man eine Zivilisation von der Größe der unsrigen
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