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Des Kaisers Gespielin (German Edition)

Des Kaisers Gespielin (German Edition)

Titel: Des Kaisers Gespielin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Hofmann
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abtun wollte, sah ich wieder diese dunklen, fast schwarzen Augen vor mir, die mich mal gütig, mal auffordernd anschauten und mich ein jedes Mal, wenn ich an sie dachte, tief berührten. Wie konnte es sein, dass jemand, der noch nicht ein Wort mit mir gesprochen hatte, ja dessen Namen ich nicht einmal kannte, innerhalb weniger Momente meine ganze Welt auf den Kopf stellte? Noch nie hatte mich der bloße Anblick eines Menschen so sehr gefangen genommen, mein Innerstes war seltsam erregt und aufgewühlt.
    Sie war doch nur eine Frau, hämmerte es wieder und wieder in meinem Kopf, und dazu noch eine völlig Fremde. Ich war mir im Klaren, dass ich nicht viel über die Welt wusste, aber ich spürte genau, dass dieses Gefühl, das von mir Besitz ergriff, wann immer ich an sie dachte, nicht richtig war.
    Meine Grübeleien wurden unterbrochen, als Nona leise die Zimmertür öffnete.
    „Lila?“, fragte sie leise. „Was ist passiert?“
    Aber ich schüttelte nur abwehrend den Kopf. Nichts ist passiert, schrie ich innerlich, außer dass ich das Gefühl habe, im Körper einer Fremden zu leben.
    „Du warst heute den ganzen Tag lang nirgends zu finden. War es so schlimm bei Estella?“, ihre Stimme schwankte vor lauter Anteilnahme.
    Ich musste unwillkürlich lächeln und verneinte beruhigend: “Alles ist gut, Nona. Ich war nur etwas.... überwältigt.“
    Nona grinste: „Ja, Estella hat manchmal so einen Effekt auf die Mädchen. Bewahre diejenige, der sie unvorbereitet trifft... Ich... ich habe nicht daran gedacht, dir etwas zu sagen. Für mich ist sie ganz... normal, weißt du? Es... man gewöhnt sich dran.“
    Ich winkte ab. Es war nicht Nonas Schuld, dass ich mich so fühlte. Das konnte ich ihr natürlich nicht sagen, aber sie tat mir furchtbar leid, wie sie da so jämmerlich saß und sich ihrer vermeintlichen Verfehlung schämte.
    „Estella war großartig, wirklich! Ungewöhnlich... aber großartig! Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, erwies er sich als ganz und gar fabelhafter, amüsanter Mensch. Ich glaube, wir können gute Freunde werden...“
    Ich dachte, ich hätte sie beruhigt.
    Nona warf mir einen missbilligenden Blick zu: „Nicht wenn du Estella weiterhin als ER bezeichnest. Glaube mir, sie ist durch und durch Frau. Wenn der Kaiser nicht felsenfest davon überzeugt wäre, dann würde Estella wohl kaum im FRAUENFLÜGEL wohnen, oder?“
    Ich sah sie zweifelnd an.
    „Also ich weiß nicht... Ist Estella einer von denen, die ihre Männlichkeit verloren haben?“
    Nona nickte eifrig und bestätigte damit meine Vermutung. Ich hatte schon früher Gerüchte gehört über Palastdiener, die wie Männer aussahen, aber keine waren. Nur hatte ich nie daran geglaubt und sie als Märchen abgetan. Bis jetzt!
    „Ja, das ist sie. Vor langer langer Zeit war sie ein junger Mann, der neben Seiner Majestät aufgewachsen und mit ihm in den Krieg gezogen ist. Man sagt, sie hat ihm das Leben gerettet. Und aus Dankbarkeit hat man sie später zum Eunuchen gemacht.“
    „Aus Dankbarkeit?“, ich zog betont langsam meine Augenbraue nach oben.
    Nona nickte: „Weißt du, es ist eine große Ehre im Palast zu dienen. Und Estella... man sagt, sie war schon immer etwas anders. Sie hat es so gewünscht und der Kaiser, in seiner großen Güte, hat ihr das Privileg gestattet, das zu werden, was sie im Innersten schon immer war. Der Eingriff hat sie tatsächlich nicht sehr verändert. Und schau sie dir an, sie ist glücklich hier. Warum auch nicht? Sie ist mittlerweile der einzige Eunuch im Frauenflügel und ob du es glaubst oder nicht, es ist eine wichtige, eine machtvolle Position. Seine Hoheit hegt ein großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten.“
    Ich überlegte kurz: „Ich verstehe nicht... Gab es denn früher mehr als einen?“
    Nonas Wangen erröteten und sie beugte sich vor und flüsterte, als gäbe sie ein wohl gehütetes Geheimnis preis: „Aber ja! Viele Eunuchen gab es hier, sie sind stark und haben die Frauen gut geschützt... Jedenfalls bis...“
    Sie sprach nicht weiter, aber ich konnte an ihrem Gesicht sehen, dass sie es genoss mehr zu wissen als ich. Effektheischend ließ sie mich einige Momente warten bevor sie mich aufklärte: „... bis einer sein Leben lassen musste. Es war ein furchtbarer Skandal damals. Ich kann mich gut daran erinnern, es war das Aufregendste, was ich je erlebt hatte. Weißt du... Man hat ihn entdeckt, als er verbotener Weise bei einer der Konkubinen gelegen hatte.“
    Nona hielt inne und suchte

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